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8. Februar 2012

Thierse hofft auf rege Beteiligung an Anti-Nazi-Demo

dapd. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sieht die Proteste gegen den Neonazi-Aufmarsch in Dresden nach dem Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle unter besonderen Vorzeichen. Die Mordserie habe wohl jedem Bürger „die Größe der Gefahr von rechtsaußen klargemacht“, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Umso wichtiger sei es, „dass die Bürger ihre Demokratie verteidigen und ihre Straßen und Plätze nicht widerstandslos den Neonazis überlassen“. Es müsse ein „klares Zeichen an der Front gegen Rechtsextremismus“ gesetzt werden, forderte er.

In Dresden versuchen Neonazis seit Jahren, das Gedenken an die Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Der Aufmarsch wird stets von Tausenden Gegendemonstranten begleitet. In den vergangenen Jahren kam es teilweise zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstranten.

Thierse ruft zu gewaltfreien Protesten auf

Er erwarte von allen Demonstranten, dass sie „absolut gewaltfrei agieren“, mahnte Thierse. Das sei „eine Grundbedingung für die Teilnahme an den Protesten“.

Von der Polizei erwarte er, dass sie nicht versuche, die Demonstranten kilometerweit von dem Neonazi-Aufmarsch entfernt aufzuhalten. „Was anderswo in Deutschland ohne Probleme funktioniert, sollte auch in Dresden möglich sein“, sagte Thierse. Zum Demonstrationsrecht gehöre nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch, dass der Protest in Sichtweite und Hörweite des Adressaten des Protestes stattfinden könne.

Demokratisches Engagement nicht kriminalisieren

Wolfgang Thierse. Foto: Studio Kohlmeier

Wolfgang Thierse. Foto: Studio Kohlmeier

www.thierse.de. Ein Beitrag von Wolfgang Thierse für die Sächsische Zeitung zu den Protesten gegen Neonaziaufmärsche in Dresden – erschienen am 7. Februar 2012. 

Wer im letzten Februar in Dresden war, um – gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen – für Demokratie und Menschenrechte zu demonstrieren, der sah sich vor ein Problem gestellt: Er sollte seinen Protest in kilometerweiter Entfernung zu den Naziaufmärschen kundtun. Die Innenstadt war abgesperrt, Anreisende in Bussen wurden vor der Stadt angehalten und mussten den weiteren Weg zu Fuß zurücklegen. Eine Kundgebung des DGB vor dessen eigenem Gewerkschaftshauswurde wurde kurzfristig verboten. Mahnwachen der Kirchen in der Dresdner Innenstadt waren schlecht besucht, denn viele kamen aufgrund der Absperrungen gar nicht erst hin.

Begründet wurden diese Maßnahmen mit der angeblichen Notwendigkeit einer „weiträumigen Trennung“ von Demonstranten und Gegendemonstranten. Die Behörden erhoben diesen polizeilichen Ansatz gar zum „Trennungsgebot“. Damit wurde suggeriert, die Trennung der Demonstrationen sei wichtiger als die Demonstrationsfreiheit. Doch das Gegenteil ist der Fall: Polizeimaßnahmen sind am Grundrecht der Demonstrationsfreiheit zu messen – und nicht umgekehrt die Demonstrationsfreiheit an polizeitaktischen Erwägungen.

Was ist also Bürgerrecht und Bürgerpflicht? Das Bundesverfassungsgericht hat die Demonstrationsfreiheit stets als einen Pfeiler der Demokratie begriffen und klargestellt, dass sie nicht nur das Recht zur öffentlichen Versammlung beinhaltet, sondern auch ein Recht auf Protest in Hör- und Sichtweite. Und es hat klargestellt: Auch Sitzblockaden als besondere Form der Meinungskundgebung sind nach dem Grundgesetz zulässig und geschützt.

Dennoch gibt es immer wieder Versuche, friedlichen Protest und gewaltfreie Blockaden zu kriminalisieren und als linksextremistisch zu diskreditieren. Wer alles kriminell sein müsste, nur weil er zu demokratischem Engagement gegen Neonazis aufruft, das ist geradezu absurd: Gewerkschafter, Abgeordnete, Bischöfe und Pfarrer, verschiedene Initiativen. Gewaltfreier, ziviler Ungehorsam darf aber in einer rechtsstaatlichen Demokratie nicht kriminalisiert werden!

Kriminalisierungsversuche haben es vielen Demokraten in den vergangenen Jahren schwergemacht, auf die Straße zu gehen und gegen die missbräuchliche Aneignung ihres Gedenkens durch die Neonazis zu protestieren. Das hat dazu beigetragen, dass die Neonazis sich in Dresden ungestört ausbreiten konnten und ihre Aufmärsche innerhalb weniger Jahre mit bis zu 8.000 Teilnehmern zum größten Neonazitreffen in ganz Europa wurden.

Als Demokraten dürfen wir nicht tatenlos zusehen, wenn Rechtsextreme durch unsere Städte marschieren. Wir dürfen ihnen nicht schweigend und widerspruchslos den öffentlichen Raum überlassen. Unsere Straßen und Plätze sollen keine Zonen des Gebrülls, der Gewalt und des Hasses sein, sondern demokratische Räume der Vielfalt und der Friedfertigkeit. Dafür einzutreten, verpflichtet der politische Anstand. Nicht erst seit Aufdeckung der Mordtaten der sog. Zwickauer Terrorzelle ist klar, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht allein Sache der staatlichen Institutionen sein darf, sondern Aufgabe aller Demokraten ist. Wir sollten uns dabei der entschlossenen Friedfertigkeit erinnern, die unsere Demokratie-Revolution 1989 geprägt und erfolgreich gemacht hat.

Bundestags-Rechtsausschuss diskutiert umstrittene Handydaten-Abfrage

Kurz vor den erwarteten diesjährigen Neonazi-Aufmärschen in Dresden befasst sich der Rechtsausschuss des Bundestages mit der umstrittenen Massenabfrage von Handydaten. Diese Praxis der Polizei bei den Kundgebungen und Gegendemonstrationen im vergangenen Jahr hatte für heftige Kritik gesorgt. Am 8. Februar will der Ausschuss dazu Experten in einer öffentlichen Sitzung anhören, unter anderem Anwälte sowie mehrere General- und Oberstaatsanwälte.

Diskussionsgrundlage sind Gesetzesentwürfe der Linken und Grünen, wonach die sogenannte Funkzellenabfrage verboten bzw. eingeschränkt werden soll. Im Februar 2011 waren in Dresden mehr als eine Million Handydaten von Demonstranten, Anwohnern, Journalisten und Politikern erfasst worden, was auf heftige Kritik gestoßen war. Sachsens Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Dresden schließen auch dieses Jahr eine Funkzellenabfrage nicht aus.

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