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22. Juni 2012

Raketen auf Israel – Iran als ewiger Störenfried im Nahen Osten

Von Michael Borgstede, erschienen auf Welt Online. Neue Runde der Gewalt: Zahlreiche Raketen schlugen in dieser Woche in Israel ein. Erstmals seit einem Jahr bekennt sich die Hamas direkt zu derartigen Raketenangriffen. Steckt der Iran dahinter?

Vor einer Woche war auf dem Hügel unweit des Gazastreifens noch alles ruhig. Nur wenige Kilometer entfernt lag der schmale Landstreifen friedlich in der Sonne, bis nach Khan Junis konnte man in den Süden hinunterschauen und im Hintergrund an einigen Stellen das Mittelmeer glitzern sehen. „Schwarzer Pfeil“ heißt der Aussichtspunkt, der eigentlich ein Kriegsdenkmal ist, benannt nach einer israelischen Vergeltungsaktion gegen ägyptische Truppen 1955.

„Man hat hier den besten Überblick über den Gazastreifen und über die umliegenden israelischen Dörfer“, sagte der hochrangige israelische Offizier, der selbst mit seiner Familie in einem jener Dörfer lebt. „Wir rechnen nicht mit einer baldigen Eskalation“, versicherte der Soldat. Das war vor gerade einer Woche.“

Jetzt sieht die Situation vollkommen anders aus. Allein am Dienstag schlugen 40 Raketen im Süden Israels ein, zwei weitere Dutzend Angriffe folgten am Mittwochmorgen.

Hamas – Verantwortung für Angriffe übernommen

Bei israelischen Luftangriffen auf die Abschussvorrichtungen der Raketen wurden in den vergangenen Tagen vier Palästinenser getötet. Der Tod eines zweijährigen palästinensischen Mädchens, für das zunächst die Israelis verantwortlich gemacht worden waren, ging aber wohl doch auf das Konto einer fehlgeleiteten und von der Hamas abgefeuerten Rakete.

In der Nähe von Deir al-Balah hatte die Armee am Dienstag zwei Palästinenser getötet. Die beiden 17-Jährigen sollen nach Armeeangaben in der Nähe der Grenzanlage mit Sprengstoff hantiert haben. Auf der israelischen Seite wurde am Dienstagabend ein Haus getroffen, drei Menschen wurden verletzt.

In einem ungewöhnlichen Schritt hat der Sprecher der Hamas, Fawzi Barhum, die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Es ist mehr als ein Jahr her, dass die Hamas sich direkt zu derartigen Raketenangriffen bekannt hatte.

Sicherheitskreise rätseln über den Anlass

Selbst in israelischen Sicherheitskreisen rätselt man, was der Anlass für den erneuten Hamas-Beschuss sein könnte. Vielleicht hat der militante Flügel der Hamas von Ahmed Dschabari in Eigenregie eine neue Offensive gestartet?

Auch der Offizier auf dem Aussichtspunkt vermutete, dass längst nicht mehr die politische Führung um den ehemaligen Ministerpräsidenten Ismail Hanija die Zügel in der Hand halte, sondern Dschabari, der auch für die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit verantwortlich gewesen sein soll.

Auch scheint die Hamas nicht mehr so geeint, wie sie das einst war: Das Machtgefüge hat sich verschoben. Galt die Exilführung bisher als besonders radikal und unversöhnlich, während die Führer in Gaza sich von den Zwängen der Regierungsverantwortung zu einer gewissen Mäßigung genötigt sahen, so hat die arabische Revolutionswelle dies umgekehrt.

Nach seinem Rückzug aus Syrien wirbt Exilchef Khalid Meschal mit neuer Mäßigung um die Unterstützung der in Ägypten erstarkten Muslimbruderschaft, die bisher eine Eskalation mit Israel vermeiden möchte.

Verhältnis zwischen Hamas und Iran abgekühlt

Auf der anderen Seite der Gleichung steht der ewige Störenfried der Region, der Iran. Dabei ist unwahrscheinlich, dass die Hamas direkte Anweisungen aus Teheran umsetzt. Das Verhältnis hat sich auch wegen der mangelnden palästinensischen Unterstützung für den iranischen Verbündeten Baschar al-Assad in Damaskus abgekühlt; viel Geld, was früher in die Taschen der Hamas floss, geht nun an den im Gazastreifen dramatisch erstarkten Islamischen Dschihad.

Mindestens ebenso viel Sorge wie die Entwicklungen im Gazastreifen macht den Israelis aber das auf der Sinaihalbinsel herrschende Machtvakuum seit dem Sturz von Husni Mubarak. Sie ist zur Spielwiese global operierender Dschihad-Bewegungen und Beduinenbanden geworden.

Am Montag drangen zwei Terroristen über die Wüstengrenze nach Israel ein und zündeten einen Sprengsatz neben einer Gruppe Arbeiter, die mit dem Bau der Grenzanlage beschäftigt waren.

Die Angreifer wurden erschossen. Ägyptische Sicherheitskräfte sagten dem Nachrichtensender CNN, der Anschlag sei vom Islamischen Dschihad gemeinsam mit einer dem Terrornetzwerk al-Qaida nahestehenden Gruppe verübt worden.

Offiziell übernahm eine bisher unbekannte Gruppierung mit dem Namen Religionsrat der Mudschahedin die Verantwortung. Man habe den Anschlag „im Namen des großen Märtyrers Osama Bin Laden“ ausgeführt.

Iran – Indirekt seine Finger im Spiel

Der Planer und Auftraggeber aber soll ein in Gaza lebender Islamist mit Verbindungen zum globalen Dschihad gewesen sein. In einer gemeinsamen Aktion des israelischen Inlandsgeheimdienstes und der Armee wurde er am Mittwochmittag bei einem Luftangriff schwer verletzt. Sein Begleiter und Assistent wurde getötet – er war ein Mitglied des aus dem Iran unterstützten Islamischen Dschihad.

Während der Iran also zumindest indirekt auch bei der jüngsten Eskalationsrunde seine Finger im Spiel hat, schienen die westlichen Mächte in Moskau sehr bemüht, die internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nicht für gescheitert erklären zu müssen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton musste sich zu der Erklärung durchringen, es sei nicht gelungen, die entscheidenden Streitpunkte beizulegen. Ashton leitet bei den Verhandlungen die Delegation der fünf Vetomächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und der Bundesrepublik.

Westerwelle – Positionen noch sehr weit auseinander

Es werde nun von einem „technischen Treffen“ in zwei Wochen in Istanbul abhängen, ob die Gespräche fortgesetzt würden, sagte Ashton. Der Iran müsse die Entscheidung treffen, der Diplomatie eine Chance zu geben.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) klang wenig hoffnungsvoll: Die Positionen lägen noch sehr weit auseinander, gab er zu. Das Ziel bleibe aber eine politische und diplomatische Lösung. Dazu werde man weiter eine Doppelstrategie aus Verhandlungen und Sanktionen anwenden.

Das bereits im Januar vereinbarte europäische Ölembargo soll am 1. Juli in Kraft treten, kurz davor sollen auch weitgehende Finanzsanktionen greifen. Der iranische Chefunterhändler Said Dschalili wollte von Zweifeln am guten Willen seines Landes nichts hören. Er hoffe, dass nach den technischen Treffen in zwei Wochen bald ein weiterer Termin mit allen sechs Verhandlungspartnern vereinbart werden könne, sagte Dschalili.

Bereits zum dritten Mal hatten sich die sechs Mächte zu Verhandlungen mit dem Iran getroffen, um das Land von der Anreicherung von möglicherweise kernwaffentauglichem Uran abzuhalten. Der Iran hat bisher den Verdacht nicht ausräumen können, unter dem Deckmantel einer zivilen Nutzung von Atomenergie heimlich den Bau einer Atombombe voranzutreiben.

Hintergrund:

Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 21.06.12: Der seit vier Tagen anhaltende Raketenhagel auf Israel wurde auch heute fortgesetzt: Acht von Terroristen aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen sind in den Morgenstunden auf israelischem Gebiet eingeschlagen.

Eine weitere Rakete schlug um kurz nach 13.00 Uhr im Bezirk Sha’ar ha-Negev ein. In mehreren Ortschaften in Südisrael wurde heute der Schulunterricht abgesagt.

Am Mittwochabend haben die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) nach dem anhaltenden Raketenbeschuss der letzten Tage im nördlichen Gazastreifen Ziele angegriffen, die als Basis für terroristische Aktivitäten dienen.

Stand v. 20.6.2012: Wie die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte vermelden haben palästinensische Terroristen aus dem Gazastreifen seit Sonntag, 17.6.2012, mehr als fünfzig Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Seit Mittwochmorgen, 20.6.2012, sind bereits etwa zwanzig Raketen auf israelischem Gebiet eingeschlagen, eine davon nahe der Stadt Beersheva.

Terroristen im Gazastreifen bereiten einen Raketenabschuss vor. Foto: IDF

In den Nächten zum Dienstag, 19.6.2012, und Mittwoch, 20.6.2012, haben die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) daraufhin im Gazastreifen Ziele angegriffen, die als Basis für terroristische Aktivitäten dienen. Auch Terrorbanden wurden angegriffen.

Bei einem der Angriffe wurde ein Terrorist des Islamischen Jihad getötet, der in den Anschlag vom Montag an der israelisch-ägyptischen Grenze verwickelt war.

Updates zum Raketenterror aus dem Gazastreifen gibt es unter idfblog.com.

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