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11. Januar 2012

Neue Anklage gegen Neonazi Wiese

Erschienen auf Süddeutsche Zeitung Online. Er gehört zu den führenden Neonazis in Bayern, jetzt hat die Staatsanwaltschaft Würzburg Anklage gegen den vorbestraften Rechtsterroristen Martin Wiese erhoben. Sie wirft ihm Volksverhetzung und Bedrohung vor. Dem 35-Jährigen werden Volksverhetzung, Bedrohung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen, teilte die Anklagebehörde mit. Trotz der vollen Verbüßung seiner Strafe habe er sich nicht von der rechtsradikalen Szene abgekehrt.

Wiese war im August wegen des Verdachts der Volksverhetzung erneut ins Visier der Ermittler geraten. Bei einer Kundgebung in Unterfranken soll Wiese Journalisten mit den Worten „wir werden eines Tages kommen, euch aus euren Löchern holen, euch vor einen Volksgerichtshof stellen und euch wegen Deutschlands Hochverrat verurteilen zum Tode“ bedroht haben.

„Seine Idee – unser Weg“

Während seiner Rede auf dem sogenannten Nationalen Frankentag in Roden (Landkreis Main-Spessart) habe Wiese ein T-Shirt mit dem deutlich erkennbaren Aufdruck „Seine Idee – unser Weg“ und der Signatur „Adolf Hitler“ getragen. Das Amtsgericht Gemünden am Main entscheidet nun über die Zulassung der Anklage.

Wiese war bereits 2005 in München in einem Terrorprozess um den vereitelten Bombenanschlag auf das Jüdische Zentrum als Kopf der „Kameradschaft Süd“ zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Die Richter sprachen ihn der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie mehrerer Waffendelikte schuldig. Wiese hatte seine Strafe im Herbst 2010 abgesessen und konnte das Gefängnis unter Auflagen verlassen.

Dazu zählte auch ein Kontaktverbot zu seinen Gesinnungsfreunden aus der rechtsextremen Szene. Weil er im November 2011 im oberfränkischen Wunsiedel dagegen verstoßen haben soll, ermittelt derzeit auch die Staatsanwaltschaft Hof gegen ihn.

Zwickauer Neonazi-Zelle: Hohe Geheimhaltungsstufe soll Haftbefehl verhindert haben

Von Christiane Kohl, Erfurt, für die Süddeutsche Zeitung. Ein Mitglied des Zwickauer Terrortrios hätte womöglich rechtzeitig gefasst werden können: Ein LKA-Beamter hatte bereits 1998 eine Vorahnung. Die Thüringer Geheimdienstler fertigten einen entsprechenden Bericht, doch sie stuften ihn als „vertraulich“ ein – und verhinderten damit womöglich einen Haftbefehl.

Manchmal hängt es an einem seidenen Faden, und das Schicksal nimmt einen anderen Lauf. Könnte der Faden im Falle des Zwickauer Terrortrios womöglich die formelle Einstufung eines Verfassungsschutzberichts gewesen sein? „Es ist möglich“, sagt Gerhard Schäfer, „dass man Böhnhardt hätte festhalten können.“ Ein ungeheuerlicher Satz, betrifft er doch einen Mann, der später an zehn Morden und einem Dutzend Bankrauben beteiligt gewesen sein soll.

Doch Ex-Bundesrichter Schäfer weiß, wovon er spricht: Als Chef einer vom Thüringer Innenminister einberufenen Untersuchungskommission ist er damit befasst, die Umstände aufzuklären, unter denen die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor 14 Jahren in den Untergrund entschwinden konnten.

Zwar befindet sich die Schäfer-Kommission „noch mitten in der Arbeit“, wie der Jurist berichtet. Doch Schäfer und seine beiden Mitstreiter haben bereits einige interessante Erkenntnisse gewonnen – und diese betreffen vor allem die Anfangsphase der Ermittlungen. „Es war die womöglich größte Verbrechensserie in der Geschichte der Bundesrepublik“, sagt der Thüringer Innenminister Jörg Geibert zu den Taten, die dem Trio zur Last gelegt werden. Diese Serie hätte vermutlich verhindert werden können, wenn es im Januar 1998 gelungen wäre, zumindest Böhnhardt zu verhaften. Es kam anders, wie man weiß. Und das könnte womöglich mit einem formellen Akt zu tun haben, der in einem Rechtsstaat allerdings nicht unbedeutend ist: der Einstufung eines Verfassungsschutzberichts als „vertraulich“ und damit als nicht verwendbar für die Ermittlungsbehörden.

Es war am 26. Januar 1998, als Beamte des Thüringer Landeskriminalamts drei Garagen in Jena durchsuchten. Vorausgegangen waren intensive Observationen von Thüringer Verfassungsschützern, die auf Initiative eines LKA-Beamten durchgeführt worden waren, wie Schäfer jetzt berichtet. „Das war ein Mann, der hatte den Riecher, der hatte das Gefühl, da steckt was dahinter.“ Tatsächlich beobachteten die um Mithilfe gebetenen Geheimdienstler, wie Mundlos und Böhnhardt offenbar in Baumärkten Material besorgten und sich auf konspirative Weise in der Garage zu schaffen machten.

Die Schlapphüte fertigten einen entsprechenden Bericht an, stempelten ihn als „vertraulich“ und sandten ihn ans Landeskriminalamt. Dort plante der Beamte umgehend eine Durchsuchung und erwirkte auch einen Durchsuchungsbeschluss. Doch einen Haftbefehl gab es nicht – weil der Verfassungsschutzbericht wegen der Vertraulichkeitseinstufung nicht habe verwendet werden können.

Ein zweites Malheur bei den Durchsuchungen

Als die Durchsuchungen begannen, passierte dann noch ein Malheur: Ausgerechnet an der Garage, bei der die Verfassungsschützer ihre Beobachtungen gemacht hatten, hing ein Vorhängeschloss, mit dem die Ermittler nicht gerechnet hatten. Um es zu öffnen, mussten die Beamten erst die Feuerwehr rufen, wie Schäfer berichtet. So verging wertvolle Zeit, während zwei andere Garagen sogar noch im Beisein von Böhnhardt durchsucht wurden – in ihnen fand sich freilich nichts Auffälliges.

Und so ist nun trotz aller Untersuchungen der Schäfer-Kommission immer noch unklar, was die Verhaftung Böhnhardts letztendlich verhinderte: die Tatsache, dass man bei der richtigen Garage einfach zu spät fündig wurde, oder aber die formale Einstufung des Verfassungsschutzberichts. „Am Tag danach“, das jedenfalls hat die Schäfer-Kommission schon herausgefunden, „wurde der Verfassungsschutzbericht dann heruntergestuft.“

Im November wurde die Schäfer-Kommission, der neben dem Vorsitzenden noch zwei Juristen angehören, ins Leben gerufen. Zunächst vergingen einige Wochen, bis die Kommissionsmitglieder sowie vier wissenschaftliche Mitarbeiter die Sicherheitsprüfung durchlaufen hatten, sodass sie sich überhaupt in die vielen „vertraulichen“ Unterlagen einlesen durften. Seit einigen Wochen wühlen sich Schäfer und seine Mannen nun durch Berge von Akten. „Wir gehören nicht zu denen, die gleich losschießen“, sagt Schäfer. Deshalb habe man sich sehr gründlich vorbereitet, bevor man mit Betroffenen spreche. Schon die erste Befragung aber brachte eine wichtige Erkenntnis: „Es gibt Optimierungspotential in der Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden“, sagt Geibert zu dem vorläufigen Ergebnis und regt an, das betreffende Verfassungsschutzgesetz im Land zu ändern.

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