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31. August 2012

Iran beschleunigt Ausbau seines Atomprogramms

Von Paul-Anton Krüger, erschienen in der Süddeutschen Zeitung vom 31.8.2012. Iran hat die 80 Meter tief unter einem Berg gelegene Uran-Anreicherungsanlage Fordow weitgehend fertiggestellt. Das geht aus einem neuen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hervor, der am Donnerstagabend in Wien bekannt wurde. Demnach haben Techniker in dem vor Luftangriffen gut geschützten Stollen inzwischen mehr als 2100 der geplanten 2784 Zentrifugen installiert. Mehr als 700 dieser Maschinen produzieren bereits Uran, das dort auf 20 Prozent des spaltbaren Isotops Uran-235 angereichert wird. Seit dem jüngsten IAEA-Report im Mai hat Iran damit die Kapazität der Anlage fast verdoppelt.

Israel sieht Fordow als größte Bedrohung durch das iranische Atomprogramm. Zum einen ist aufgrund physikalischer Eigenheiten mit der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent bereits mehr als drei Viertel der Arbeit erbracht, die notwendig ist, um bombenfähiges Material mit einem Reinheitsgrad von mehr als 90 Prozent herzustellen. Je mehr 20-prozentiges Material Iran besitzt, desto kürzer ist die Zeit, die nötig wäre, um Material für eine Bombe herzustellen, sollte das Regime in Teheran die Entscheidung dazu treffen. Zudem ist zweifelhaft, ob Israel mit seinen militärischen Mitteln Iran ohne Hilfe der USA daran hindern könnte, in Fordow diesen Schritt zu gehen. Verteidigungsminister Ehud Barak hat davor gewarnt, Israel könne nicht hinnehmen, dass Irans Atomprogramm ‚eine Zone der Immunität’erreiche.

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Undiplomatisch direkt

Irans Oberster Führer Ali Chamenei nutzt den Blockfreien-Gipfel in Teheran für eine ideologische Abrechnung mit dem Westen und den Vereinten Nationen. Deren Generalsekretär reagiert mit harscher Kritik am Atomprogramm. Den Eklat aber provoziert Ägyptens Präsident Mursi: Er geißelt Syriens Regime als Unterdrücker. Von Tomas Avenarius, Süddeutsche Zeitung vom 31.8.2012.

Falls sich Politiker- und Diplomaten-Gesichter lesen lassen, kam die Rede nicht wirklich gut an. Eine knappe halbe Stunde sprach Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei vor den Vertretern der Blockfreien Staaten (NAM), danach war es vorbei mit der Konsensstimmung, die seit Beginn des Mammuttreffens am Sonntag vorgeherrschte hatte. Bei den Staats- und Regierungschefs, den Ministern und Botschaftern aus drei Kontinenten ließ sich bestenfalls noch Erstaunen erkennen, als Chamenei, Irans mächtigster Mann mit ruhiger Stimme zur Globalkritik ansetzte. Und bei einem Gast war – trotz jahrelanger Erfahrung in der Kunst diplomatischer Mimikri – die Verärgerung in den unbewegten Gesichtszügen zu erkennen: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. In seiner Anwesenheit geißelte Chamenei die ‚unverhüllte Diktatur‘ des Sicherheitsrats. Das Gremium werde von einigen wenigen Staaten skrupellos instrumentalisiert: ‚Der Rat hat eine irrationale, ungerechte, zutiefst undemokratische Struktur.‘

Der Ayatollah hielt sich beim 16.Treffen der Blockfreien Staaten wenig zurück. Nur das von ihm zuvor so oft geäußerte Wort vom ‚Krebsgeschwür Israel‘ fiel nicht. Chamenei nutzte den Höhepunkt des Gipfeltreffens von etwa 100 Delegationen aus dem Kreis der 120 NAM-Mitglieder, um Teherans Weltsicht als Auszug aus dem Propagandalexikon zu präsentieren: Eine Handvoll ‚autoritärer, arroganter, unersättlicher Netzwerke‘ kapitalistischer Staaten, allen voran die USA und Israel, beuteten die Welt aus. Sie unterdrückten andere Völker, trieben sie in den Krieg und verkauften ihnen Waffen, mit denen die Unterdrückten sich gegenseitig abschlachteten.

Dann Israel: Das Territorium gestohlen, die Palästinenser vertrieben, bis heute Gewalt, Folter und Gefängnis für die rechtmäßigen Bewohner des Landes. Dazu Irans umstrittenes Atomprogramm: Jeder Staat habe das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie und den vollen nuklearen Brennstoffzyklus. An die Atombombe denke in Iran niemand: ‚Die Islamische Republik betrachtet den Einsatz von atomaren, chemischen oder anderen Massenvernichtungswaffen als unverzeihliche Sünde.‘

Sollte UN-Chef Ban versöhnliche Töne Irans im Atomkonflikt oder der Syrien-Politik erwartet haben, enttäuschte ihn Chamenei – und später auch Präsident Mahmud Ahmadinedschad: Kaum hatte Teheran den Vorsitz der NAM-Staaten übernommen, zeigten Irans Führer auf ihrer Konferenz der Superlative eine undiplomatische Direktheit, die ihre eigenen Ziele konterkariert. Ihre von Ideologie geprägte Vehemenz dürfte wohl kaum mehr auf einem Treffen von Staats- und Regierungschefs seit den Hochzeiten des Kalten Krieges zu finden gewesen sein. Mit dem dreijährigen NAM-Vorsitz jedoch will Iran eigentlich aus seiner Paria-Rolle herausfinden, Kraft des Amtes wieder eine respektierte Rolle in der internationalen Politik spielen. Schwer nachvollziehbar ist vor allem die rüde UN-Kritik im Beisein Bans.

Der UN-Chef war gegen den Willen Washingtons nach Teheran gereist; die USA und auch Israel hatten den obersten Weltdiplomaten gewarnt, er werde instrumentalisiert werden. Ban, wie immer höflich-hölzern, ließ sich in Teheran aber nicht bitten. Zuerst las er den Iranern die Leviten mit Blick auf Israel: ‚Ich verurteile es strengstens, wenn ein UN-Mitgliedstaat einem anderen UN-Staat mit Vernichtung droht. Das gilt auch für die unerhörten Bemerkungen, die historische Tatsachen wie den Holocaust bestreiten.‘ Beim Thema Atomstreit wurde er ebenso deutlich. Sowohl an Iran als auch Israel gewandt sagte er, es herrsche ein ‚Krieg der Worte, der sehr leicht zu einem realen Krieg‘ führen könne. Teheran solle sich diplomatisch mit dem Westen einigen und beweisen, dass das Programm friedlichen Zwecken diene. Iran müsse die Resolutionen des Sicherheitsrats befolgen und der Internationalen Atomenergiebehörde alle Türen öffnen.

Dass der für seine asiatische Höflichkeit fast schon berüchtigte UN-Chef so offen sprach, war ein Schlag für Iran: Der NAM-Gipfel hatte dazu dienen sollen, dass Nuklearprogramm als legitim und friedlich darzustellen und Kritik als ‚Drohungen der arroganten Westmächte‘ entlarven.

Auch sonst lief den Iranern das minutiös geplante Treffen am Donnerstag aus dem Ruder: Ausgerechnet Ehrengast Mohammed Mursi brüskierte die Gastgeber, als er angesichts von 20000 getöteten Syrern Selbstverständliches sagte: Ägyptens islamistischer Staatschef nannte Präsident Baschar al-Assad einen ‚Unterdrücker‘. Anschließend nahm Mursi die NAM-Welt in die Pflicht, ‚dem syrischen Volk im Kampf gegen ein nicht länger legitimes Regime beizustehen‘. Spätestens als Syriens Delegation empört den Saal verließ, war klar, dass das NAM-Treffen für Iran kein Erfolg mehr werden würde.

Die Gipfel-Regie hatte alles daran gelegt, Missstimmung und Streit zu umgehen. Warum dann ausgerechnet die Iraner selbst derart provokant auftraten, lässt sich nicht nachvollziehen: Die NAM-Staaten halten zwar ihr Prinzip hoch, gegen jede postkoloniale Bevormundung einzutreten und wünschen sich – vielleicht – auch einen wortgewaltigen Führer. Aber sie alle sind UN-Mitglieder, haben Interessen und sind mit Sicherheit nicht willens, sich 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieg in einer neuen Blockkonfrontation von Iran vor den Karren spannen zu lassen: Hier der arrogante Westen, dort Iran und die NAM. Chamenei mag den Ton getroffen haben, als er sagte, dass eine ‚derzeit völlig veränderte Weltlage eine einmalige Chance‘ für die NAM-Staaten sei, Einfluss zu gewinnen. Seine Ursachenforschung aber wird die wenigsten NAM-Vertreter überzeugt haben: Der UN-Sicherheitsrat als Kontrollraum der Welt stehe ‚unter der Diktatur einiger westlicher Staaten‘.

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