Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

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23. Januar 2012

Erinnerungskultur auf dem Prüfstand – mehr Aufklärung, mehr Dialog nötig

Auf Einladung von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse stellt heute der unabhängige Expertenkreis Antisemitismus das Ergebnis seiner zweijährigen Arbeit in einem ersten Bericht mit dem Titel „Antisemitismus in Deutschland vor“. Hierzu ein Statement von Dr. h.c. Charlotte Knobloch:

Wir brauchen in Deutschland neue, klügere Formen der gesellschaftlichen Erinnerungs-kultur und der Vergangenheitsbewältigung. Das belegt der Experten-bericht über „Antisemitismus in Deutschland“, der heute vorgelegt wird. Es ist alarmierend, dass die Bundesrepublik weit höhere Werte bei der Verbreitung antisemitischer Einstellungen erreicht als die westeuropäischen Länder Italien, Großbritannien, Niederlande und Frankreich.

Politik und Bildungsapparat sind in der Pflicht, die Formen und Inhalte der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu überprüfen. Routiniertes Gedenken, Tabuisierungen und eine zu starke Fixierung auf die Vergangenheit sind kontraproduktiv. Wir brauchen mehr Dialog und eine Erinnerungskultur, die auf die Zukunft ausgerichtet ist. Nur so können wir die jungen Menschen in unserem Land mitnehmen. Sie müssen verstehen, dass Erinnern und Gedenken keinen Selbstzweck verfolgen, sondern Teil eines Erkenntnisprozesses sind, der den jungen Generationen vermitteln soll, dass der Mensch zu Unmenschlichkeit imstande ist. Erforderlich sind darüber hin-aus gegenwartsbezogene Ansätze, die dezidiert auf die Felder eingehen, in denen der moderne Antisemitismus präsent ist. Das ist nicht nur aber insbesondere der Nahostkonflikt.

Der Befund, dass judenfeindliche Einstellungen „in erheblichem Umfang“ in der deutschen Gesellschaft verankert sind, ist ebenso traurig wie unnötig. Denn die Forscher fanden das Phänomen vor allem „in einem Umfeld der Unkenntnis, der Stereotype und der Ressentiments über Juden. Das bedeutet, Dialog und Aufklärung könnten einen Großteil der Miss- und Unverständnisse mit großer Wahrscheinlichkeit ausräumen und damit diese Form des Antisemitismus beseitigen.

Fest steht, die circa 20 Prozent latenten Antisemitismus, von dem die Experten ausgehen, sind keine Randerscheinung, sondern breit über die Bevölkerung gestreut. Antisemitismus begegnet uns in den Salons ebenso wie an den Stammtischen dieser Republik, sowie besonders extrem im Internet, das vor allem Rechtsextreme und radikale Isla-misten als Plattform nutzen. Erschreckend ist auch die dargelegte, „bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitete Gewöhnung an alltägliche judenfeindliche Tiraden und Praktiken“. Das ist der politischen Kultur in unserem Land unwürdig und ein alarmierender Weckruf an alle  gesellschaftlichen Entscheidung- und Verantwortungsträger.

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