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5. März 2012

Deutschland gibt Gemälde aus jüdischem Vorbesitz an Niederlande zurück

Auswärtiges Amt. Das Museum für Bildende Kunst Leipzig hat am 4. März 2012 sechs Gemälde an die Niederlande zurück gegeben. Damit ging ein über 60 Jahre andauerndes Restitutionsverfahren zu Ende. Die Gemälde, die nach der teilweisen Beendigung des Verfahrens an die Niederlande restituiert werden, sind Teil der sogenannten Sammlung Kummerlé. Alfred Kummerlé erwarb die sechs Bilder in den Jahren 1940 bis 1944 in den damals von Deutschland besetzten Niederlanden aus jüdischem Vorbesitz.

Mit Blick auf die durch das Auswärtige Amt begleitete Restitution sagte Staatsministerin Cornelia Pieper: „Die Restitution ist nicht nur Ausdruck unseres guten und vertrauensvollen Verhältnisses zu den Niederlanden, sondern dokumentiert zugleich das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Washingtoner Prinzipien 1998.“

Durch die Washingtoner Prinzipien, denen Deutschland 1998 zustimmte, bekennen sich die Staaten zu dem Grundsatz, dass alle Anstrengungen unternommen werden sollen, um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut an die Erben zurückzugeben.

Die Niederlande machten bereits im Jahre 1945 Resitutionsansprüche aus der Sammlung Kummerlé geltend. Später meldeten auch die Erben nach der Ehefrau Kummerlés, der er die Sammlung übertragen hatte, vermögensrechtliche Ansprüche an. Johanna Kummerlé lagerte die Bilder 1949 in einem Leipziger Bankhaus ein; nachdem sie 1953 von einer Westreise nicht zurückkehrte, galt sie als „republikflüchtig“. Die eingelagerten Gemälde wurden daraufhin in Volkseigentum überführt und dem Leipziger Museum für Bildende Künste zum Kauf angeboten wurden, wo sie sich seitdem befinden.

Nach Abschluss umfangreicher Provenienzrecherchen und rechtlicher Prüfungen erließ das zuständige Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) im Juli 2011 einen Bescheid, auf dessen Grundlage die sechs Gemälde nun zurückgegeben werden.

Neues von Österreichs Kunstrückgabebeirat

Wien (OTS) – Der Kunstrückgabebeirat befasste sich unter dem Vorsitz des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner, in seiner Sitzung vom 2. März 2012 mit sieben Dossiers der Kommission für Provenienzforschung, die Fälle in der Österreichischen Galerie Belvedere, im MAK, in der Albertina und im Museum für Völkerkunde behandeln. In vier Fällen kam der Beirat zum Ergebnis, Kulturministerin Dr. Claudia Schmied Rückgabe zu empfehlen, in drei Fällen sah er die Voraussetzungen dafür nicht gegeben. Kulturministerin Dr. Claudia dankt dem Beirat für die Empfehlungen, denen sie in allen Fällen entsprechen wird.

Zu den einzelnen Empfehlungen

Der Kunstrückgabebeirat empfahl die Rückgabe eines Werkes aus der Österreichischen Galerie, nämlich:

  • Eduard Grützner, In der Klosterbibliothek, Öl/Leinwand an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Serena Lederer.

Serena Lederer (1867 – 1943) und wurde von den NS-Machthabern als Jüdin verfolgt; das Gemälde wurde im März 1942 für den “Sonderauftrag Linz” erworben, gelangte nach 1945 an den Central Collecting Point München und 1958 wieder zurück nach Österreich. Da jedoch ein Rückstellungsantrag unterblieb, wurde das Gemälde 1963 vom Bundesdenkmalamt dem Kunsthistorischen Museum und 1987 von diesem der Österreichischen Galerie übergeben.

Der Kunstrückgabebeirat empfahl die Rückgabe von zwei Rahmen aus dem MAK Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, nämlich

  • H.I. 28.982, H 1735a, Rahmen, Lindenholz, Gipsauflagen, Möbelfabrik Danhauser, Wien
    und
  • H.I. 28.982, H 1735b, Rahmen, Lindenholz, Gipsauflagen, Möbelfabrik Danhauser, Wien

an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Dr. Stefan Poglayen-Neuwall. (Nicht empfohlen wurde die Rückgabe von 20 Büchern, die das MAK 1949/1950 von Dr. Stefan Poglayen-Neuwall angekauft hatte.)

Der von den Nationalsozialisten verfolgte Dr. Stefan Poglayen-Neuwall verkaufte die beiden Rahmen im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Flucht nach Italien Mitte 1939 dem (damaligen) Staatlichen Kunstgewerbemuseum. Dieser Verkauf ist daher als Entziehung zu bewerten. (Der Verkauf von 20 Büchern in den Jahren 1949/1950 durch Dr. Poglayen-Neuwall an das Museum wurde in der Empfehlung mitbehandelt, jedoch als unbedenklich aus der Sicht des Kunstrückgabegesetzes bewertet.)

Der Kunstrückgabebeirat empfahl die Rückgabe eines Werks aus der Albertina, nämlich

  • Anton Romako, Liegender Hund, Aquarell an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Dr. Armin Reichmann.

Der 1878 in Wien geborene Journalist Dr. Armin Reichmann wurde von den Nationalsozialisten als Jude verfolgt; seine Versuche gemeinsam mit seiner Frau zu flüchten, schlugen fehl. Am 2. Juni 1942 wurden Armin und Rosa Reichmann deportiert und am 6. oder 7. Juni 1942 in Maly Trostinec ermordet. Das hier gegenständliche Aquarell, das in der Vermögensanmeldung von Dr. Reichmann aufscheint, wurde im Jahr 1941 durch die Albertina erworben.

Der Kunstrückgabebeirat empfahl die Rückgabe zweier Artefakte aus dem Museum für Völkerkunde, nämlich

  • Holzmaske und Kultpadel, Post 16/1942 an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Friedrich Wolff-Knize.

Der 1890 in Wien geborene Inhaber des bekannten Herrensalons Knize & Comp., Friedrich Wolff-Knize, war nicht nur als Sammler zeitgenössischer Kunst, sondern auch von ethnographischen Objekten hervorgetreten. Friedrich Wolff-Knize wurde von den Nationalsozialisten als Jude verfolgt; nach dem “Anschluss” Österreichs flüchtete er mit seiner Familie in die USA. Die völkerkundliche Sammlung, die in Wien verblieb, wurde vom Museum übernommen. Nach dem Krieg wurde die Rückstellungder Objekte “insoweit als sie am Rückstellungstage tatsächlich vorhanden sind” gemäß § 3 Erstes Rückstellungsgesetz angeordnet. Die beiden gegenständlichen Objekte waren offenbar bei der Rückstellung nicht greifbar; sie wurden erst 2009 entdeckt und unter der Post XVI/1942 nachinventarisiert.

Der Kunstrückgabebeirat empfahl nicht die Rückgabe des Archivs der Wiener Werkstätte aus dem MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Alfred Hofmann.

Die Wiener Werkstätte befand sich bereits seit den 1920er Jahren in wirtschaftlichen Schwierigkeiten; am 26. Januar 1939 wurde beschlossen die Firma zu löschen und das Archiv der Wiener Werkstätte Alfred Hofmann zu übergeben. In seiner Vermögensanmeldung von 1938 erwähnte der von den Nationalsozialisten als Jude verfolgte Alfred Hofmann das Archiv der Wiener Werkstätte nicht und bewertete seinen Anteil an der Gesellschaft mit Null. Nachdem Alfred Hofmann schon vor 1938 versucht hatte, das Archiv zu verkaufen, wurde das Archiv am 11. März 1939 vom damaligen Staatlichen Kunstgewerbemuseum, dem heutigen MAK, gegen eine Bezahlung von RM 6.000,- auf ein Sperrkonto übernommen. Alfred Hofmann musste in die USA fliehen, 1947 forderte er das MAK auf, das Archiv als entzogenes Vermögen anzumelden und versuchte es dem MAK und der Stadt Wien zu verkaufen. Nach längeren Verhandlungen -das MAK war nur an einem Teil interessiert, der Verkauf an die Stadt Wien kam nicht zu Stande – kam es schließlich im Jahr 1954 zu einer Einigung, die eine Zahlung von S 6.000,- an Alfred Hofmann und eine Schenkung des Archivs an das MAK beinhaltete. Nach Zahlung des Betrages wurde der Schenkungsvertrag zwischen dem MAK und Alfred Hofmann am 10. Februar 1955 abgeschlossen.

Der Kunstrückgabebeirat empfahl nicht die Rückgabe des Werks Theodor Hörmann, Auf der Ligethi Puszta aus der Österreichische Galerie Belvedere an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Valerie Heissfeld bzw. Lotte Heissfeld.

Valerie Heissfeld (1876-1942) und ihre Tochter Lotte Heissfeld (1907-1983) wurden von den Nationalsozialisten als Jüdinnen verfolgt. Am 9. September 1938 wurde Lotte Heissfeld die Ausfuhr von 47 Werken ihrer Kunstsammlung in die Tschechoslowakei beilligt; die Ausfuhr kam tatsächlich zu Stande. Im Februar 1939 flüchteten Valerie und Lotte Heissfeld nach Brünn und Lotte Heissfeld flüchtete am 1. März 1939 weiter nach London. Valerie Heissfeld wurde am 29. März 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 13. April 1942 ums Leben kam. Lotte Heissfeld verstarb am 29. November 1983 in London; im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung wurden 30 Kunstwerke in ihrem Besitz verzeichnet, von welchen 25 in Übereinstimmung mit der Liste ihres Ausfuhransuchens von 1938 gebracht werden können. Das gegenständliche Gemälde wurde 1956 im Dorotheum versteigert und 1957 von der Österreichischen Galerie aus dem Kunsthandel erworben. Nach den vorliegenden Unterlagen ergeben sich keine Hinweise darauf, dass Teile der Kunstsammlung von Valerie Heissfeld im Gebiet des späteren Protektorates Böhmen und Mähren verblieben und dort entzogen wurden. Da Lotte Heissfeld noch 1983 über mehr als die Hälfte der 1938 aus Österreich ausgeführten Kunstsammlung verfügte und keine Versuche einer Rückstellung von Kunstwerke festgestellt werden konnten, ist zumindest nicht ausschließbar, dass sie die Kunstsammlung ungeschmälert (und damit auch das hier gegenständliche Gemälde) nach London verbringen konnte. Nach dem derzeitigen Wissensstand konnte daher keine Empfehlung einer Rückstellung an die Rechtsnachfolger nach Lotte Heissfeld bzw. Valerie Heissfeld erteilt werden.

Der Kunstrückgabebeirat empfahl nicht die Ausfolgung des Werks Jakob van Es, Früchtestillleben, Öl auf Holz aus der Österreichischen Galerie Belvedere an die Rechtsnachfolger nach Dr. Robert Schwarz.

Das Ehepaar Dr. Robert Schwarz und Betty Schwarz und deren Söhne wurden als Juden vom NS-Regime verfolgt. Im detaillierten “Verzeichnis über das Vermögen von Juden”, welches Herr Dr. Robert Schwarz am 27. Juni 1938 vorlegte, findet sich kein Hinweis auf Kunstwerke. Im August/September 1938 musste die Familie über die Tschechoslowakei nach London flüchten.

Mit Schreiben vom 13. August 2001 wandte sich der Enkelsohn von Dr. Robert Schwarz erstmals an die Kommission für Provenienzforschung und ersuchte um Hilfe bei der Suche eines Ölgemäldes, welches sich Mitte der 1930er Jahre von der Wohnung der Familie und später in der Kanzlei von Dr. Robert Schwarz verwahrt war. In einem späteren Schreiben teilten die Söhne von Dr. Robert Schwarz mit, das gegenständliche, auf der Kunstdatenbank des Nationalfonds gespeicherte Gemälde als das gesuchte Werk erkannt zu haben. Dieses Gemälde ist als Leihgabe, allerdings unbekannter Herkunft, in der Österreichischen Galerie inventarisiert. Die Untersuchungen der Kommission für Provenienzforschung, die sowohl das vorhandene Aktenmaterial zu dem heute in der Österreichischen Galerie (als Leihgabe) verwahrten Gemälde als auch zur Verfolgung der Familie von Dr. Robert Schwarz umfassten, erbrachten für die Erinnerung der Söhne von Dr. Robert Schwarz keine Bestätigung. Der Beirat sieht daher keine ausreichende Gewissheit, um eine Ausfolgung zu empfehlen.

Die Empfehlungen sind im Volltext auf der website der Kommission für Provenienzforschung unter provenienzforschung.gv.at veröffentlicht.

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