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23. März 2012

Toulouse: Mutmaßlicher Attentäter stirbt durch Kopfschuss – Islamisten bekennen sich zu Anschlag

n-tv.de. Der Serienmörder von Toulouse ist tot. Scharfschützen erschießen den 23-jährigen Mohammed Merah. Nach seinem Tod bekennt sich eine Al-Kaida-nahe Organisation zu den Attentaten und fordert Frankreich auf, seine „muslim-feindliche Politik“ zu beenden. Die französische Rechte wirft dem Präsidenten derweil vor, die islamistische Gefahr zu unterschätzen.

Nach dem Tod des mutmaßlichen Serienattentäters von Toulouse hat sich eine dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehende Organisation zu den Anschlägen in Frankreich bekannt. Die Gruppe namens Dschund al-Chilafah („Die Soldaten des Kalifats“) forderte Frankreich in einer im Internet veröffentlichten Botschaft auf, seine „feindliche“ Politik gegenüber Muslimen aufzugeben.

Die islamistische Gruppe, die sich in der Vergangenheit zu Anschlägen in Afghanistan und Kasachstan bekannt hatte, stellte ihre Botschaft auf die Website Shamekh, die normalerweise Al-Kaida-Bekennerschreiben veröffentlicht. Darin nannte sie „Jusuf al-Firansi“ (Jussuf, der Franzose) als Täter eines Angriffs am Montag, mit dem die Pfeiler „zionistischen Kreuzrittertums“ erschüttert worden seien.

Am 18.3. hatte der Serientäter Mohammed Merah eine jüdische Schule in Toulouse angriffen und drei Kinder und einen Religionslehrer erschossen. Ob Merah mit „Jussuf“ identisch ist, ging laut dem US-Unternehmen SITE, das auf die Auswertung islamistischer Websites spezialisiert ist, aus der Botschaft nicht hervor.

Scharfschützen töten Merah

In Toulouse war zuvor der mutmaßliche Serienattentäter Mohammed Merah von der Polizei getötet worden. Der 23-Jährige hatte sich selbst zu Attentaten mit sieben Toten bekannt. Ein Scharfschütze der französischen Polizei schoss Merah bei seinem Sprung aus dem Fenster in den Kopf. Der Mann war bereits tot, als er am Boden aufschlug. Der zuständige leitende Staatsanwalt Molins sagte, es habe sich um einen Akt legitimer Selbstverteidigung gehandelt. Bei dem fünfminütigen Schusswechsel, bei dem 300 Patronen abgefeuert wurden, wurde auch ein Polizist verletzt. Zwei weitere erlitten einen Schock. Der Attentäter selbst schoss etwa 30 mal  beim Sturm auf seine Wohnung. „Ein Mitglied des Einsatzkommandos sagte mir, dass er noch nie zuvor ein Feuer von einer derartigen Intensität erlebt hat“, sagte der französische Innenminister Claude Guéant.

Wie Guéant weiter mitteilte, kam Merah aus dem Badezimmer, in dem er sich versteckt hielt, und schoss  „mit äußerster Gewalttätigkeit“ sofort auf die Einsatzkräfte. Nach einer mehrminütigen Schießerei sprang er dann aus dem Fenster, wobei er mit mit der Waffe in der Hand weiter feuerte. „Er wurde tot auf dem Boden gefunden“, sagte Guéant.

Die Elitepolizisten waren kurz vor elf Uhr in die Wohnung von Merah eingedrungen und hatten sich dort langsam vorgetastet. Guéant hatte angeordnet, den 23-Jährigen möglichst lebend zu fassen, um ihn vor Gericht zu stellen.

Die Ermittler gaben derweil bekannt, dass der Serienmörder alle seine Bluttaten offenbar gefilmt hat. Die Aufnahmen seien erschreckend deutlich, sagte der zuständige leitende Staatsanwalt François Molins. Beim tödlichen Kopfschuss auf sein erstes Opfer habe er erklärt: „Du tötest meine Brüder, und ich töte Dich.“ Polizisten habe er erklärt: „Wenn ich sterbe, gehe ich ins Paradies – wenn ihr sterbt, Pech für euch!“.

Französische Rechte greift Regierung an

Präsident Nicolas Sarkozy sagte in einer Fernsehrede, dass alle Versuche, Merah lebend zu fassen, gescheitert seien. „Es hat bereits zu viele Tote gegeben“, so Sarkozy. Frankreich habe entschlossen gehandelt und seine Einheit bewahrt. Rachegedanken oder Wut seine jetzt nicht hilfreich, betonte Sarkozy.

Die Regierung werde nun Lehren ziehen. Künftig werde jeder, der im Internet zu Hass aufrufe, bestraft. „Jede Person, die regelmäßig im Internet Webseiten besucht, die den Terrorismus predigen, die zu Hass und Gewalt aufrufen, wird bestraft“, sagte Sarkozy. Zudem müsse untersucht werden, ob und wie in Gefängnissen radikales fundamentalistisches Gedankengut verbreitet werde.

Die französischen Rechtsextremisten werfen der Regierung unterdessen vor, ganze Stadtviertel radikalen Islamisten zu überlassen. Die Gefahr werde unterschätzt, sagte die Chefin des Front National, Marine Le Pen, am Donnerstag im Hörfunksender France Info. Sie kritisierte, dass die Bildung fundamentalistischer Netze in manchen Vierteln toleriert werde, nur um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. „Die Regierung hat Angst“, sagte Le Pen. Sie liegt Umfragen zufolge einen Monat vor der Präsidentenwahl hinter dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und dessen sozialistischem Herausforderer Francois Hollande.

Merah verschanzte sich stundenlang

Mit der Erstürmung der Wohnung ging ein mehr als 32-stündiger Nervenkrieg zu Ende. Seit Mittwochmorgen hatte sich Merah in einer Wohnung in Toulouse verschanzt gehalten. Mehrere Versuche, die Wohnung zu stürmen, waren gescheitert: Der schwer bewaffnete Mann schoss Mittwoch früh durch die Tür auf die Polizisten und verletzte zwei von ihnen leicht.

Am Mittwochabend hatten sich bereits die Zeichen verdichtet, dass Merah trotz mehrerer Ankündigungen nicht aufgeben würde. Er kündigte an, so viele Menschen wie möglich mit in den Tod zu reißen. Daraufhin schaltete die Polizei in dem Stadtviertel, in dem er sich verschanzt hatte, komplett den Strom ab und zog weitere Kräfte zusammen.

Der Franzose algerischer Abstammung bekannte sich zu den drei Angriffen, bei denen in den vergangenen Tagen in Toulouse und Montauban sieben Menschen getötet wurden, darunter drei jüdische Kinder. Außerdem erklärte er, dass er für Mittwoch noch weitere Anschläge geplant hätte. Offenbar wollte er einen weiteren Soldaten sowie zwei Polizisten töten.

Merah bezeichnete sich selbst als Mitglied des islamistischen Terrornetzwerks Al-Kaida. In Gesprächen mit den Sicherheitskräfte zeigte er keine Reue, vielmehr bedauerte er, dass er nicht noch mehr Menschen habe töten können. Seine Attentate glorifiziere er mit den Worten, er habe „Frankreich in die Knie gezwungen“.

Kaltblütige Morde

Der Serienattentäter hatte am 11. März zum ersten Mal zugeschlagen: In Toulouse erschoss er auf offener Straße einen Fallschirmjäger in Zivil. Wenige Tage später tötete er im nahegelegenen Montauban zwei weitere Fallschirmjäger. Wieder in Toulouse tötete er am Montag bei einem Angriff auf eine jüdische Schule drei Kinder und einen Lehrer. Guéant sagte später, der Mann habe die jüdische Schule nach eigenen Angaben nur angegriffen, weil er keinen weiteren Soldaten zum Töten „gefunden“ habe.

Staatsanwalt Molins bestätigte, dass Merah zweimal in Afghanistan und in Pakistan war, dass er aber „ein untypisches Profil salafistischer Selbstradikalisierung“ aufweise. Er sei mit eigenen Mitteln und nicht über die bekannten Netzwerke nach Afghanistan gekommen. Der Mann habe auch behauptet, von Al-Kaida in Waziristan im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ausgebildet worden zu sein.

Wegen seiner Reisen nach Afghanistan und Pakistan war Merah im November 2011 in Toulouse vom französischen Inlandsgeheimdienst befragt worden. Er sprach aber von einer touristischen Reise und untermauerte dies mit Fotos. Auch Merahs Mutter stand seit Längerem wegen ihrer Nähe zu radikalen Salafisten unter Beobachtung. Sie und die beiden Schwestern und Brüder Merahs wurden am Mittwoch festgenommen. Ein Bruder sympathisiert nach Angaben des französischen Innenministers ebenfalls mit den extremistischen Salafisten.

Immer mehr Einzeltäter

Der Nahost-Experte Michael Lüders warnt bei n-tv vor einer „besorgniserregenden Entwicklung“ hin zu terroristischen Einzeltätern. Dies erschwere die Arbeit der Ermittler, da es zunächst keine Indizien für die Polizei gebe. Lüders betont, dass das Verhältnis vieler Einwanderer zu Frankreich gestört sei. Die Einwanderer „haben sozial so gut wie gar keine Aufstiegschancen“. Gerade der Algerienkrieg mit hunderttausenden Toten wirke immer noch nach. Ob Merah tatsächlich in Verbindung zu Al-Kaida steht, hält Lüders allerdings für zweifelhaft.

Welt Online. Scharfschütze tötet Serienmörder per Kopfschuss. Nach einer 30-stündigen Belagerung haben Polizisten die Wohnung von Mohamed Merah gestürmt. Er wurde von einem Scharfschützen getötet. Dramatisches Ende einer mehr als 30-stündigen Belagerung: Der Serienmörder von Toulouse ist von einem Scharfschützen per Kopfschuss getötet worden. Das sagte der zuständige leitende Staatsanwalt François Molins am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Dabei habe es sich um einen Akt legitimer Selbstverteidigung gehandelt. Neben der Untersuchung der bisherigen Spuren werde nun nach weiteren möglichen Komplizen gesucht.

Der 23-jährige Islamist habe bis zuletzt erbitterten Widerstand geleistet und um sich geschossen, sagte Innenminister Claude Guéant in der südfranzösischen Stadt. Er sei dann aus einem Fenster im Erdgeschoss gesprungen und wurde erschossen. Präsident Nicolas Sarkozy gratulierte der Polizei zu dem Einsatz.

Mohamed Merah – ein Franzose algerischer Herkunft – wird verdächtigt, bei einem Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse drei Kinder und einen Rabbiner erschossen zu haben. Außerdem soll er in diesem Monat drei Fallschirmjäger ermordet haben. Der Islamist handelte nach eigenem Bekunden im Namen der al-Qaida.

Merah stirbt nach Sprung aus Badezimmerfenster

Eliteeinheiten der Polizei begannen am Donnerstagvormittag mit der Erstürmung des mehrgeschossigen Gebäudes in einem Vorort von Toulouse. Innenminister Guéant sagte, das Gebäude sei mit Videokameras untersucht worden. Merah sei dabei aus dem Badezimmer gekommen und habe heftig um sich geschossen.

Schließlich sei er mit einer Waffe in der Hand aus einem Fenster gesprungen und habe weiter auf die Polizisten gefeuert. Dann gab ein Scharfschütze den tödlichen Schuss ab. Mehrere Polizisten wurden nach offiziellen Angaben bei dem Zugriff verletzt.

Die Behörden wollten Merah nach eigener Darstellung eigentlich lebend fassen, um mehr über seine Motive und mögliche Komplizen zu erfahren. Laut Staatsanwaltschaft begründete der Mann seine Taten mit dem Afghanistan-Einsatz der französischen Armee und mit Rache für den Tod palästinensischer Kinder. Er bereue nur, nicht noch mehr Menschen umgebracht zu haben, sagte der Mann den Ermittlern zufolge.

Noch am Mittwoch versuchten Spezialisten der Polizei, Merah zur Aufgabe zu überreden. Dabei äußerte der 23-Jährige mehrfach seine Absicht, sich zu ergeben. In der Nacht gab es dann aber keinen Kontakt mehr.

Die Konfrontation begann am frühen Mittwoch, als sich Merah einen Schusswechsel mit der Polizei lieferte, bei dem drei Beamte verletzt wurden. Dann wurde die Wohnung mehr als einen Tag lang belagert. Die Polizisten versuchten es zunächst mit einer Zermürbungsstrategie, gaben mehrfach Schüsse ab, zündeten kleinere Sprengsätze und warfen Blendgranaten.

Sarkozy will Terrorismus-Verherrlichung bestrafen

Präsident Sarkozy kündigte bei einer Ansprache ein schärferes Vorgehen gegen Internetseiten an, die Hass oder Terrorismus Vorschub leisten. Jeder, der gewohnheitsmäßig solche Seiten besuche, werde von nun an strafrechtlich belangt. Frankreich müsse seine Werte unerbittlich verteidigen. Nach dem Willen Sarkozys soll verstärkt gegen Personen vorgegangen werden, die ins Ausland reisen, um sich dort aufstacheln zu lassen. Auch soll untersucht werden, ob in französischen Gefängnissen extremistisches Gedankengut verbreitet wird und ob der 23-Jährige Helfer hatte.

Sarkozy kämpft um seine Wiederwahl und würde seinen sozialistischen Rivalen Francois Hollande in der ersten Runde im April einer Umfrage zufolge knapp schlagen. Bei einer Stichwahl im Mai würde demnach aber Hollande als Sieger hervorgehen.

Merah war in Afghanistan und Pakistan

Nach dem Attentat vom Montag, das weltweit Bestürzung hervorrief, wurde der Wahlkampf unterbrochen. Er war davor von einem aggressiven Tonfall gekennzeichnet. Ein wichtiges Thema Sarkozys war die Einwanderung und der Islam.

Merah war schon länger im Visier der Sicherheitsbehörden, nachdem er im vergangenen Jahr von Reisen nach Afghanistan und Pakistan zurückgekehrt war. Die Ermittler kamen ihm mit Hilfe von Internetdaten auf die Spur, weil er einen Soldaten unter dem Vorwand kontaktierte, ein Motorrad kaufen zu wollen. Der Polizei zufolge erschoss Merah insgesamt drei Soldaten in den Städten Toulouse und Montauban. Sie stammten wie er aus Nordafrika.

Neue Entwicklungen finden Sie auch im Welt Online Live-Ticker.

 

tagesschau.de. Der mutmaßliche Attentäter von Toulouse und Montauban ist tot. Das bestätigte Innenminister Claude Guéant am Tatort. Bei der Erstürmung der Erdgeschosswohnung nach mehr als 30-stündiger Belagerung seien auch mehrere Beamte verletzt worden.

Gegen 10.30 Uhr seien die Eliteeinheiten durch Fenster und Türen ins Haus eingedrungen und hätten mit Video-Robotern das Innere erforscht. Dann sei Mohammed Merah plötzlich aus dem Badezimmer gestürmt und habe auf die Polizisten geschossen. Diese hätten das Feuer erwidert. Nach mehreren Minuten sei der Verdächtige dann aus dem Fenster gesprungen. Dabei habe er noch weiter gefeuert, so Guéant. Anschließend sei er tot auf dem Boden gefunden worden. Über die Todesursache äußerte sich der Innenminister bislang nicht. Er dankte den Beamten für ihren „extrem schwierigen Einsatz“.

Auch Präsident Nicolas Sarkozy, der den Einsatz in Paris verfolgt hatte, drückte den Beamten seinen Dank aus. Die französischen Behörden hatten immer wieder betont, den Franzosen algerischer Abstammung lebend ergreifen zu wollen. „Wir wollen seine Beweggründe erfahren und hoffentlich herausbekommen, wer seine Komplizen sind, falls es welche gibt“, betonte zum Beispiel Verteidigungsminister Gerard Longuet.

Mehrere Explosionen in der Nacht

Bereits in der Nacht hatten die Einsatzkräfte mehrere Handgranaten und Sprengstoff vor dem abgesperrten Haus zur Explosion gebracht. Offenbar, um den 23-Jährigen zu zermürben und ihn zur Aufgabe zu zwingen. Eine Reaktion aus der belagerten Erdgeschosswohnung hatte es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben. „Wir haben während der Nacht keinen Kontakt mit ihm gehabt, alle Hypothesen sind möglich“, hatte Guéant dem Fernsehsender RTL gesagt. Nach den Detonationen seien zwei Schüsse zu hören gewesen, die nicht zugeordnet werden könnten.

Verdächtiger war von Strom- und Gasversorgung abgeschnitten

Hunderte Beamte hatten das Wohnviertel fast zwei Tage lang abgeriegelt. Nach Einbruch der Dunkelheit kappte die Polizei am Mittwoch die Strom- und Gasversorgung des Gebäudes. Auch die Straßenbeleuchtung wurde ausgeschaltet, um den mit Nachtsichtgeräten ausgestatteten Polizisten im Falle eines nächtlichen Zugriffs einen Vorteil zu verschaffen.

Laut Staatsanwaltschaft bekannte sich Merah zu den drei Angriffen, bei denen in den vergangenen Tagen in Toulouse und Montauban sieben Menschen getötet worden waren, darunter drei jüdische Kinder. Zudem habe er weitere Taten geplant. Unter anderem habe sich der Mann als Angehöriger der „Mudschaheddin“ bezeichnet und behauptet, mit Al Kaida in Verbindung zu stehen. Sein Tatmotiv seien die Auslandseinsätze der französischen Armee und Rache für den Tod palästinensischer Kinder, so die Ermittler.

Die Polizei fand laut Behörden auch den Motorroller, den Merah bei seinen Anschlägen verwendet hatte. Das Wohnviertel, in dem sich der mutmaßliche Attentäter aufhielt, ist nur rund drei Kilometer Luftlinie von der jüdischen Schule entfernt, vor der am Montagmorgen ein Lehrer und drei Kinder erschossen worden waren.

 

Freundlich, gläubig, brutal. Die Akte Mohamed Merah

Von Sascha Lehnartz und Gesche Wüpper, erschienen auf Welt Online, 21.03.2012. Wer ist dieser Mann, der kaltblütig drei Kindern das Leben nimmt? Was bewegt einen 23-Jährigen, Frankreich in die Knie zwingen zu wollen?

In der Doumerc-Kaserne in Montauban hatten rund 80 ordensgeschmückte Veteranen gerade Aufstellung genommen für die Trauerfeier zu Ehren ihrer ermordeten Kameraden.

Heftige Windböen trieben über den Exerzierplatz, als die Meldung aus dem 52 Kilometer entfernten Toulouse zum ersten Mal die Runde machte, dass Mohamed Merah, der mutmaßliche Mörder von drei Soldaten, drei jüdischen Kindern und ihrem Lehrer, sich der Polizei gestellt habe.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der zur Trauerfeier in Montauban erwartet wurde, befand sich in diesem Moment nur wenige hundert Meter von dem Apartmentblock in der Rue Sergent Vigné entfernt, wo sich der Täter seit dem frühen Morgen verschanzte.

In der Perignon-Kaserne in Toulouse, dem Hauptquartier der Polizeikräfte, die den Zugriff koordinierten, verfolgte der Präsident den Einsatz. Doch die Meldung erwies sich als verfrüht. Mohammed Merah, der 23-jährige in Toulouse geborene Verdächtige, befand sich auch nach 12 Stunden Belagerung und Diskussionen mit der Polizei noch immer in seiner Wohnung.

Die Zeremonie begann ohne den Präsidenten

Es war eine seltsame Gleichzeitigkeit der Ereignisse: Während in Montauban einige hundert Gäste auf den Präsidenten warteten, um gemeinsam mit ihm die ermordeten Soldaten Abel Chennouf und Mohamed Legouad aus dem 17. Luftlanderegiment und Imad Ibn-Ziaten aus dem 1. Luftlande-Versorgungsregiment zu betrauern, wartete die Polizei in Toulouse darauf, dass Mohamed Merah die Waffen streckte.

Ihr mutmaßlicher Mörder. Die Zeremonie begann schließlich ohne den Präsidenten. Für das französische Staatsoberhaupt war es ein äußerst ereignisreicher Tag. Bereits in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch war ihm kaum Schlaf vergönnt. Denn Innenminister Claude Guéant hielt Sarkozy permanent auf dem Laufenden über die neuesten Entwicklungen.

Er war bereits nach dem Attentat auf die jüdische Schule in Toulouse, bei der ein Lehrer und drei Kinder ums Leben kamen, in die Airbus-Metropole im Südwesten Frankreichs gereist.

Am Dienstagnachmittag gelang den Ermittlern ein entscheidender Durchbruch, als sie Mohamed Merah als den mutmaßlichen Täter identifizierten. Der Inlandsgeheimdienst DCRI soll den jungen Mann algerischer Abstammung bereits seit längerem im Visier gehabt haben, weil er mehrmals in die Kampfzone entlang der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan gereist sein soll.

Der Polizei von Toulouse war er ebenfalls wegen diverser Delikte bekannt, darunter einem Handtaschenraub mit Gewaltanwendung.

IP-Adresse des Computers verriet den Verdächtigten

So wurde er nach Angaben seines Rechtsanwalts Christian Etelin im Februar zu einem Monat Gefängnis verurteilt, weil er ohne Führerschein Auto gefahren war. Doch es war der Yamaha-Motorscooter TMax530, den er bei den drei Anschlägen im südwestfranzösischen Montauban und in Toulouse benutzte, der die Ermittler auf die Spur Merahs brachte – genau wie die E-Mails, die er mit seinem ersten Opfer Imad Ibn-Ziaten austauschte, um den Fallschirmjäger in eine Falle zu locken.

Anhand der Mails konnte die Polizei die IP-Adresse des Computers zurückverfolgen, den Merah benutzt hatte. Er gehörte seinem Bruder.

Zusätzlich hatten die Ermittler der Anti-Terror-Einheit alle Yamaha-Vertragshändler im Großraum Toulouse befragt. Nach Informationen französischer Medien soll sich Merah bei einem von ihnen erkundigt haben, wie man den Ortungssender, mit dem der Motorscooter ausgestattet ist, um Diebstähle zu verhindern, ausbauen kann.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gelang es der Eliteeinheit Raid schließlich, Merah zu stellen. Doch er widersetzte sich der Festnahme und eröffnete sofort das Feuer auf die vermummten Polizisten. Zwei von ihnen wurden dabei verletzt.

Merah, nach Angaben Innenminister Guéants mit einer Kalaschnikow, einer Uzi-Maschinenpistole und anderen Handfeuerwaffen bewaffnet, verschanzte sich in seiner Erdgeschosswohnung in der Rue Sergent Vigné. Er soll erst seit zwei Monaten in dem tristen, vierstöckigen Gebäude aus Backstein und Beton gewohnt haben. „Die Person spricht sehr viel“, erklärte Guéant, der um vier Uhr nachts in der Rue Sergent Vigné eintraf.

„Er behauptet, zu al-Qaida zu gehören und sagt, er wolle die palästinensischen Kinder rächen und gleichzeitig gegen die französische Armee vorgehen.“ Möglicherweise, wollte er sich rächen, denn Merah soll sich 2008 beim französischen Militär und 2010 bei der Fremdenlegion beworben haben, aber abgewiesen worden sein.

Einen neuen Anschlag in Toulouse geplant

„Unser Ziel ist, ihn lebend festzunehmen“, erklärte Guéant. Denn nur so könne Merah vor Gericht gestellt werden. Die Ermittler nahmen seine Mutter sowie seinen älteren Bruder und dessen Freundin ebenfalls in Polizeigewahrsam. Zuvor hatten sie die Mutter zur Wohnung Merahs gebracht, um ihn zu überreden, sich zu stellen.

Doch sie weigerte sich und erklärte, sie habe ohnehin keinen Einfluss mehr auf ihren Sohn. Der festgenommene Bruder soll ebenfalls islamistischen Kreisen nahe stehen. Die Polizei soll in seinem Wagen Sprengstoff gefunden haben, berichtete das Nachrichtenmagazin „Le Point“ auf seiner Internetseite.

Aus Ermittlerkreisen verlautete zudem, dass Merah für Mittwoch einen neuen Anschlag in Toulouse auf zwei Polizisten geplant habe. Bevor die Ermittler in der Nacht auf Mittwoch zuschlugen, habe ein Mann eine Journalistin des Nachrichtensenders „France 24“ angerufen und sich als der Täter der Anschläge von Montauban und Toulouse ausgegeben, hieß es.

Jugendfreunde aus dem Toulouser Viertel Izar, wo Merah zusammen mit seinen vier Geschwistern aufwuchs, beschreiben den mutmaßlichen Attentäter als freundlich und großzügig. Er sei gläubig gewesen, aber kein praktizierender Muslim. „Er hat Ramadan gemacht, das war alles“, sagte Samir der Tageszeitung „Libération“.

„Wir sind geschockt, denn wir hatten auch Angst um unsere Kinder.“ Rechtsanwalt Etelin bezeichnet Merah ebenfalls als höflich, genau wie die Nachbarn aus der Rue Sergent Vigné. „Er ist ein sehr sanfter junger Mann mit dem Gesicht eines Erzengels“, sagt er.

„Ich habe ihn mehrmals vor dem Jugendgericht verteidigt – wegen Diebstahl, Gewalt und anderen für die Problemvororte typischen Delikte.“ Vor vier oder fünf Jahren sei Merah zu einer Gefängnisstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden. Er habe später von den Angehörigen erfahren, dass sich Merah nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis politisch engagiert habe und nach Afghanistan gereist sei.

Burka-Verbot in Frankreich als Motiv

Doch bei den über fünfzehnstündigen Verhandlungen mit der Eliteeinheit der Polizei zeigte sich Merah weniger freundlich. Die Beamten hätten mehrmals versucht, die Wohnung zu stürmen, doch Merah habe jedes Mal das Feuer auf sie eröffnet, erklärte der für die Anti-Terror-Einheit zuständige Staatsanwalt François Molins Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Merah habe angegeben, er wolle Frankreich in die Knie zwingen.

Als Motiv habe er die Präsenz des französischen Militärs in Afghanistan und das Burka-Verbot in Frankreich angegeben. Molins bezeichnete Merah als gewalttätig und psychisch gestört. Zunächst hatte der Attentäter angekündigt, er werde sich am Nachmittag stellen. Doch daraus wurde nichts.

 

Der mutmaßliche Attentäter

Ein „Mudschaheddin“ mit Doppelleben

tagesschau.de, 21.3.2012. Der mutmaßliche Attentäter von Toulouse gehört nach eigenen Angaben zum Terrorornetzwerk Al Kaida. Der Franzose algerischer Abstimmung hielt sich eine Zeit lang in Afghanistan und Pakistan auf. Seit Ende 2007 saß er wegen Bombenlegung im Gefängnis in der Taliban-Hochburg Kandahar. 2008 floh er aus dem Gefängnis, wie der Direktor des Gefängnisses, Ghulam Faruk, erklärte. Damals sprengten Kämpfer der radikalislamischen Taliban das Tor der Anstalt und befreiten bis zu 1000 Häftlinge.

Unklar ist, wo sich der 23-Jährige nach der Flucht aus der afghanischen Haft aufhielt und wie er zurück nach Frankreich kam. Er wird verdächtigt, in diesem Monat insgesamt sieben Menschen in Südfrankreich getötet zu haben, darunter am Montag vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Lehrer. Er beschrieb sich nach Angaben von Innenminister Claude Guéant selbst als „Mudschaheddin“, der den gewaltsamen Tod palästinensischer Kindern rächen und ein Zeichen gegen die französische Militärpräsenz in Afghanistan setzen wollte.

Jahrelang vom Geheimdienst beobachtet

Wie der französische Innenminister Claude Guéant bekannt gab, wurde der mutmaßliche Täter jahrelang vom französischen Inlandsgeheimdienst DCRI beobachtet. Angeblich pflegt er Verbindungen zu Salafisten- und Dschihadisten-Gruppen. In den vergangenen Jahren soll er sich zweimal bei der französischen Armee beworben haben. In Lille wollte er bei den Bodentruppen aufgenommen werden, erklärte Oberst Bruno Lafitte. Der heute 23-Jährige habe alle Tests absolviert, „aber die Überprüfung seiner Vorstrafen hatte eine Ablehnung seiner Bewerbung zur Folge“. 2010 versuchte er es dann bei der Fremdenlegion im südfranzösischen Toulouse. Dort habe er aber letztlich nicht an den Auswahltests teilgenommen.

Anwalt: Immer höflich, „weiches Verhalten“ und zivilisiert

Der langjährige Anwalt des Verdächtigen zeigte sich vollkommen überrascht, dass er ein islamistischer Serien-Attentäter sein soll. Der junge Mann sei immer „höflich“ gewesen, sagte Christian Etelin, der den Verdächtigen in einer Reihe von Strafsachen seit 2004 oder 2005 vertrat, vor allem wegen Diebstahls. Der Anwalt beschrieb ihn als eine Person mit einem „weichen Verhalten“, „zivilisiert“ und „nicht starr“, so dass er nie an Fanatismus gedacht hätte.

Der mutmaßliche Serien-Attentäter habe in seinem Beisein auch nie über den Islam gesprochen, doch habe er vor zwei Jahren mitbekommen, dass der junge Mann sich „plötzlich radikalisiert“ habe und nach Afghanistan gereist sei. Auch bei seinen Bekannten und in der Nachbarschaft galt er stets als still und bescheiden, diskret und hilfsbereit.

Per Internet auf die Spur gekommen

Guéant bestätigte, dass die Ermittler dem Mann über das Internet auf die Spur gekommen waren. Das erste Opfer, ein Soldat, hatte demnach mit dem Täter auf einer Internet-Plattform Kontakt gehabt. Es ging um den Verkauf eines Motorrades. Per Mail vereinbarten die beiden einen Treffpunkt.

Die IP-Adresse, die dieser Mail zugewiesen wurde, gehörte zu einem Computer, der im Besitz der Mutter des Tatverdächtigen ist. „Das hat bei den Ermittlungen die Wende eingeleitet“, sagte Guéant. Die Mutter habe bereits seit längerem wegen ihrer Nähe zu radikalen Salafisten unter Beobachtung der Ermittler gestanden.

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