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24. Mai 2012

Atomwaffen: „Iran wird wie Nordkorea“

Von Silke Mertins, erschienen auf FTD Online. Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman im FTD-Interview: Teheran hat von Pjöngjang gelernt, wie man unangreifbar wird.  Hadas-Handelsman hat in einem Interview mit der Financial Times Deutschland (FTD) zu den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm und zum arabischen Frühling Stellung genommen.

FTD: Neue Atomverhandlungen mit Iran beginnen am Mittwoch in Bagdad. Erwarten Sie Bewegung?
Yakov Hadas-Handelsman: Jetzt geht es ums Ganze. Die Iraner versuchen, auf Zeit zu spielen, bis sie alle Komponenten zum Bau einer Bombe beisammen und an geheimen Orten untergebracht haben. Die „EU3 + 3“ – Großbritannien, Frankreich und Deutschland plus China, Russland und die USA – haben klar gemacht, dass die Zeit für Spielereien vorbei ist. Wir kennen die iranische Taktik. Sie versuchen immer in der Nachspielzeit ein Angebot zu machen oder sich kompromissbereit zu zeigen. Aber meist steckt wenig dahinter. Es gibt zudem Berichte, dass die Iraner in den vergangenen Monaten sehr damit beschäftigt waren, die Nukleareinrichtungen, die die internationale Atomenergiebehörde bisher nicht inspizieren durfte, von verdächtigen Spuren zu säubern.

FTD: Wie viel Zeit bleibt überhaupt noch für einen Kompromiss?
Hadas-Handelsman: Jeder weitere Tag ohne eine Einigung und ohne vernünftige Inspektionen bringt den Iran einer Atomwaffe näher. Schon wenn der Iran alle Komponenten hat, verändern sich die Regeln der internationalen Politik im Umgang mit Teheran grundlegend. Man sieht das gut an dem Beispiel Nordkorea. Die internationale Gemeinschaft hat die Entwicklung der Atombombe dort verschlafen. Und als sie aufgewacht ist, musste nach ganz neuen Regeln gespielt werden. Jeder Konflikt mit Nordkorea hat nun eine andere Dimension.

FTD: Nordkorea ermutigt Iran also, nicht nachzugeben?
Hadas-Handelsman:Ja, sie haben verstanden, dass man vor allem Zeit gewinnen muss, weil der Westen keine Konfrontation sucht, sondern einen Kompromiss.

FTD: Glauben Sie, es wäre besser gewesen, Nordkorea anzugreifen als man es noch konnte?
Hadas-Handelsman: Das ist sehr hypothetisch. Aber eines ist sicher: Seit Nordkorea die Bombe hat, finden die Verhandlungen mit Pjöngjang – die Sechs-Parteien-Gespräche – auf einer ganz anderen Ebene statt. Die Nordkoreaner machen seitdem, was sie wollen, und pfeifen auf internationale Verurteilungen. Sobald die Iraner eine Nuklearwaffe bauen können, wird es dort genauso sein.

FTD: Zum Beispiel?
Hadas-Handelsman: Nehmen wir einmal an, der Iran droht wegen der drückenden Sanktionen, die Öltanker nur noch gegen eine hohe Gebühr durch die Straße von Hormus fahren zu lassen. Heute würden die Amerikaner zusätzliche U-Boote und Flugzeugträger schicken und eine Blockade um jeden Preis verhindern. Aber könnten sie das auch noch, wenn Iran schon die Bombe hätte oder bauen könnte? Teheran könnte sich darauf verlassen, dass es viel Empörung geben würde, der keine Taten folgen.

FTD: Was könnte der Westen dem Iran überhaupt noch anbieten?
Hadas-Handelsman: Niemand kann garantieren, dass die Verhandlungen erfolgreich sind. Aber eines ist klar: Nur wenn die Iraner verstehen, dass Zahltag ist und dass die internationale Gemeinschaft entschlossen ist, bis zum Letzten zu gehen, werden sie ernsthaft verhandeln.

FTD: Reichen die bisherigen Sanktionen aus?
Hadas-Handelsman: Wie es jetzt aussieht, haben die Sanktionen gewirkt. Dem Regime ist das Schicksal der Bevölkerung zwar gleich. Aber sie wollen ihr Überleben sichern. Das ist das einzige, was sie interessiert. Sie machen sich jetzt Sorgen, und deshalb muss man den Druck erhöhen. Es muss weiter weh tun.

FTD: Was sind denn die bisher wirkungsvollsten Sanktionen?
Hadas-Handelsman: Die Ölsanktionen sind natürlich die bedeutendsten, aber es ist das Zusammenspiel. Wenn es keine normalen Handelsbeziehungen mehr gibt, weil die Bezahlung nicht mehr abgewickelt werden kann, dann wird es sehr ernst für die Wirtschaft. Es ist zum Beispiel nicht so einfach, weniger Öl zu fördern, schon technisch nicht. Kurzum: Die Sanktionen wirken, aber der Druck darf nicht nachlassen.

FTD: Die US-Regierung versucht alles, um ein Kriegsszenario aus dem Wahljahr herauszuhalten. Verringert das den Druck?
Hadas-Handelsman: Die Iraner sind sehr klug. Sie werden oft unterschätzt. Sie wissen, auf welche Stichworte der Westen positiv reagiert, wie man die wichtigsten Staaten gegeneinander ausspielt und sie an der Nase herumführt. Sie wissen aber auch, dass Israel weniger berechenbar ist für Iran. Sie können nicht sicher sein, wie Israel regiert.

FTD:  Der arabische Frühling hat dort, wo gewählt wurde, Islamisten an die Macht gebracht. Wie bedrohlich ist diese Entwicklung für Israel?
Hadas-Handelsman: Wir sind nicht gegen Demokratie. Wir haben immer die Hoffnung gehabt, dass der Tag kommt, an dem Bevölkerungen in der arabischen Welt in echter Freiheit und Demokratie leben können. Aber niederreißen ist einfacher als aufbauen. Deswegen wird jetzt auf eine bewährte Methode zurückgegriffen: Israel als Feindbild ist im ägyptischen Wahlkampf wieder zurückgekehrt. Was sollte die Regierung dazu sagen, dass Salafisten koptische Kirchen angegriffen haben? Israel ist schuld, nur der Mossad hat ein Interesse an einer solchen Verschwörung. Und die Leute glauben es! Aber während der Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz während der Revolution wurde keine israelische und auch keine andere Flagge verbrannt. Israel ist jetzt nur der Prügelknabe.

FTD:  Die Islamisten machen Ihnen also keine Angst?
Hadas-Handelsman: Der Friedensvertrag steht nicht in Frage – selbst bei den Islamisten nicht. Aber der Friedensvertrag, seine Substanz, wird weiter ausgehöhlt. Ein Beispiel ist der aufgekündigte Vertrag für Gaslieferungen nach Israel. Das ist die neue Realität im Nahen Osten. Aber man sollte auch Geduld haben und die Araber nicht bevormunden. Es hat auch in Europa sehr lange gedauert, bis es demokratisch geworden ist. Da kann man nicht erwarten, dass es in den arabischen Ländern in zwei, drei Monaten geschieht.

FTD: Auch Al-Kaida-Gruppen sollen bereits in Syrien aktiv sein.
Hadas-Handelsman:Die al-Kaida ist nicht mit einem Ufo in Syrien gelandet, sondern Assad hat sie lange benutzt. Es war ihm recht, dass sie Syrien als sichere Zuflucht für Aktionen im Irak benutzt haben. Und jetzt sieht es so aus: Statt dass er sie beherrscht, beherrschen sie ihn.

FTD:  Wie dramatisch kann sich die Lage in Syrien auf den Nahen Osten auswirken?
Hadas-Handelsman: Iran wird nicht bereit sein, auf Syrien als Bündnispartner zu verzichten, schon wegen des Einflusses auf Libanon und die Hisbollah dort. Für Assad gibt es schon kein Zurück mehr. Ich schließe nicht aus, dass er versuchen wird, sich mit einem großen Knall aus der Geschichte zu verabschieden.

FTD: Ein Schlag gegen Israel?
Hadas-Handelsman: Gegen die Türkei. Das ist noch wirkungsvoller. Die Türkei ist Nato-Mitglied. Wenn man die Türkei angreift, greift man gleichzeitig auch Deutschland und die gesamte Nato an. Denn in Artikel 5 des Nato-Vertrages ist die Beistandspflicht garantiert. Das macht uns Sorgen.

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