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9. Februar 2012

Zurückgetretener Pirat: „Bin kein Antisemit“

Erschienen auf www.heute.de/ZDFheute. Der Nachwuchspolitiker Kevin Barth, Pirat aus Baden-Württemberg, wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe. „Der Jude an sich“ sei unsympathisch, Israel betreibe eine „Kackpolitik“. Mit dieser Nachricht beim Kurznachrichtendienst Twitter zog der 22-jährige Kevin Barth aus Heidenheim massive Kritik auf sich. Im heute.de-Interview entschuldigt er sich. – Wie erhlich er es meint, bleibt offen…

heute.de: Sie haben am 23. Januar eine Twitter-Nachricht geschrieben, in der Sie „den Juden an sich“ kritisieren. Waren Sie betrunken?

Barth: Nein, war ich nicht. Ich weiß auch nicht, wer auf solche Äußerungen kommt, ich war nüchtern. Den Tweet habe ich daheim geschrieben auf meinem Laptop.

heute.de: Warum haben Sie diese Twitter-Nachricht geschrieben?

Barth: Mir ging durch den Kopf, dass es eine Studie gegeben hat, in der 20 Prozent der Deutschen als latent antisemitisch ausgewiesen werden. Ich finde es einfach nicht gerecht, dass man als antisemitisch gilt, wenn man eine israelkritische Meinung hat. Dagegen wollte ich protestieren.

heute.de: Allerdings haben Sie das nicht geschrieben. Sie haben geschrieben, dass Israel eine „Kackpolitik“ betreibt und dass Sie den „Juden an sich unsympathisch“ finden. Warum?

Barth: Das war aus dem ersten Frust heraus über diese Studie. Ich hätte vielleicht andere Worte wählen sollen. Ich hätte nicht „Kackpolitik“ sagen dürfen. Ich hätte sagen sollen, dass mir nicht gefällt, was die israelische Administration tut. Genauso wenig gefällt mir aber, was die Hamas tut. Es soll nicht nur ein Kontra gegen Israel sein.

heute.de: Und was sagen Sie zu Ihrem Satz „Der Jude an sich ist unsympathisch“?

Barth: Für diesen Satz kann ich nur um Entschuldigung bitten. Ich meinte eigentlich die israelische Administration. Ich wollte nicht den Juden persönlich angreifen. Mir ist das rausgerutscht. Aus Unwissenheit. Ich habe mich nicht genug informiert über dieses Thema.

heute.de: Sie haben vor einiger Zeit Ihren Ausweis fotografiert und ihn online gestellt. Dabei haben Sie kritisiert, dass an erster Stelle „Europäische Union“ steht und nicht „Bundesrepublik Deutschland“. War das ein nationalistischer Irrflug?

Barth: Ich kann verstehen, dass Menschen das so begreifen. Mir ist die Tragweite der ganzen Geschichte bewusst. Ich kann verstehen, dass mir das als nationalistische Tat unterstellt wird. Ich finde aber einfach nur, dass auf einem Pass zuerst das Land stehen sollte, in dem man aufgewachsen ist – egal ob der Pass deutsch, italienisch oder griechisch ist.

heute.de: Sind Sie ein Antisemit?

Barth: Nein, ich bin definitiv kein Antisemit. Ich heiße alles, was in die antisemitische Richtung geht, für schlecht. Ich habe auch nichts mit einer NPD zu tun oder bin ein Spitzel, wie es mir nachgesagt wird.

heute.de: Ist Ihnen nicht bewusst, was es bedeutet, wenn ein deutscher Politiker über „den Juden an sich“ schreibt?

Barth: Mir war bis vor zwei Tagen nicht bewusst, was das für Auswirkungen haben kann.

heute.de: Dann muss man Ihnen mindestens Naivität vorwerfen, oder?

Barth: Naivität ist schön gesagt. Das werfen mir auch viele vor. Ich denke eher, dass ich blöd gehandelt habe. Dass ich manchen Themen gegenüber naiv bin, das kann durchaus sein.

heute.de: Sie sind am 7. Februar von Ihrem Amt als Vorsitzender der Piratenpartei in Heidenheim zurückgetreten – es heißt, nur auf extremem Druck hin. Stimmt das?

Barth: Nein, ich bin nicht auf massivem Druck hin zurückgetreten. Ich bin zurückgetreten, weil wir Wahlkampf führen und meine Partei es nicht verdient hat, durch meine Aussage, die blöd war, nicht mehr das leisten zu können, was sie leisten will.

heute.de: Aber Sie wollten zunächst im Amt bleiben. Wodurch kam dann Ihr Meinungswechsel?

Barth: Weil man mir aufgezeigt hat, was alles passieren kann. Dass wir wieder in den Medien stehen durch rechte Gesinnung und wir wieder Probleme haben – innerparteilich und nach außen hin. Und dann habe ich gesagt: Ok, dann ziehe ich die Konsequenz.

heute.de: Die politische Geschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, ist bekennende Jüdin. Hat Sie Kontakt mit Ihnen aufgenommen?

Barth: Nein.

heute.de: Bedauern Sie das?

Barth: Ich bedauere das nicht. Vielleicht ist es auch besser so. Na gut, das ist ein blöder Satz. Ich denke, dass Frau Weisband sehr empört ist und war.

heute.de: Weisband hat im Internet geschrieben, sie möchte aufgrund Ihrer Nachricht gerne brechen.

Barth: Dafür habe ich volles Verständnis.

heute.de: Aber Sie hätten sich schon ein persönliches Gespräch gewünscht?

Barth: Ich habe mir immer gewünscht, mal mit Frau Weisband einen Dialog zu führen.

heute.de: Auf Ihre Nachricht hin brach ein Sturm der Kritik über Sie herein. Und Ihnen ist Gewalt angedroht worden.

Barth: Ja, aber bis jetzt ist nichts passiert. Mich belastet das nicht. Ich kann damit leben. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich in der ganzen Geschichte keinen Weltuntergang sehe.

heute.de: Was machen Sie nach Ihrem Rücktritt?

Barth: Wer den Menschen Kevin kennt, der weiß, dass er kein Antisemit ist. Und deswegen werde ich mich auch weiterhin in der Politik betätigen. Und wer den Kevin kennt, der weiß, dass er das auch in der Basis kann.

Das Interview führte Dominik Rzepka.

Zur Person: Kevin Barth, Jahrgang 1989, ist seit September 2011 Mitglied der Piratenpartei. Er wurde am 4. Februar zum Vorsitzenden seiner Partei in Heidenheim (Baden-Württemberg) gewählt. Nach Kritik an seiner Twitternachricht trat er am 7. Februar von seinem Amt zurück. Barth ist Industriemechaniker, verheiratet und hat ein Kind.

Piraten-Chef: „Jugendsünde“ NPD-Mitgliedschaft

Mehrere Mitglieder der Partei waren früher bei NPD, heute.de, 14.10.2012. Der Chef der Piratenpartei, Sebastian Nerz, hat die frühere NPD-Mitgliedschaft einiger Parteifreunde als „Jugendsünde“ bezeichnet. Kritik erntete er dafür prompt von Partei-Kollegin Marina Weisband. Die Wortwahl klinge verharmlosend, bemängelte sie.

Voraussetzung für die Aufnahme bei den Piraten sei, dass die Betreffenden auch offen zu ihren Fehlern stünden. Das sagte der Parteivorsitzende gegenüber der Tageszeitung „Welt“. „Es gibt einige, die in jugendlicher Naivität in die NPD eingetreten sind und deren rechtsextreme Politik nicht wirklich durchschaut hatten“, so Nerz weiter. „Wenn so jemand nach einem Jahr austritt, dann muss man solche Jugendsünden auch verzeihen.“

Nerz erntete Widerspruch von Piraten-Geschäftsführerin Marina Weisband. Das Wort „Jugendsünden“ sei „falsch gewählt, weil es zunächst bagatellisierend klingt“, sagte Weisband der „Welt“. „Wir alle machen manchmal Fehler, auch wenn wir bei der Wortwahl sehr vorsichtig sind.“

Für NPD-Zugehörigkeit entschuldigt

In den vergangenen Tagen waren Fälle aus zwei Landesverbänden der Piratenpartei bekanntgeworden. So hatte der Kreistagsabgeordnete Matthias Bahner in Mecklenburg-Vorpommern zugegeben, dass er zwischen 2003 und 2004 der NPD angehörte. Im bayerischen Freising war der Kreisverbandsvorsitzende der Piraten zurückgetreten, weil auch von ihm eine frühere NPD-Mitgliedschaft öffentlich geworden war. Er hatte in einer Stellungnahme von einem „Fehltritt“ gesprochen.

Piraten-Chef: Partei nicht angreifbar

Der Landesvorsitzende der Piratenpartei in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Rudolph, sagte zum Rücktritt seines Parteikollegen, dieser habe seine Fehler eingesehen. Sein Kreistagsmandat für Vorpommern-Greifswald wolle der 27-Jährige Politikstudent aber vorerst behalten. Im Kreisverband solle es aber eine Mitgliederbefragung geben: „Wenn die Mehrheit will, dass er nicht mehr im Kreistag arbeitet, will er das akzeptieren“, erklärte Rudolph. Bahner hatte den Piraten seine NPD-Mitgliedschaft zwischen 2003 und 2004 verschwiegen. Erst später wurde bekannt, dass er – trotz anderslautender Beteuerungen – auch bei NPD-Demonstrationen aufgetreten sein soll. Er hatte sich daraufhin bei seinen Parteifreunden entschuldigt.

Piraten-Chef Nerz sagte, er glaube nicht, dass sich seine Partei mit der Aufnahme ehemaliger NPD-Mitglieder angreifbar mache: „Auch in unserer Satzung steht, dass wir extremistische Politik ablehnen, und das wird bei uns intensiv gelebt. Wenn sich jemand bei uns mit rechtsextremistischen und ausländerfeindlichen Thesen aufhält, stellt er sich schnell ins Abseits. Solche Leute haben keine Zukunft in der Piratenpartei.“

Weisband erhielt antisemitische Hassmails

Piraten-Politikerin kann sich Rückkehr in Spitzenamt vorstellen, heute.de, 29.01.2012. Die scheidende Piraten-Geschäftsführerin Marina Weisband hat wegen ihres jüdischen Glaubens antisemitische Hassmails bekommen. Ihr Foto sei auf rechtsextremen Webseiten aufgetaucht, sagte die 24-Jährige.

„Ich habe Hassmails bekommen, auf rechtsextremistischen Webseiten wurde mein Foto veröffentlicht“, sagte Weisband der Bild am Sonntag. „Daneben standen Texte darüber, wie die Juden jetzt die deutsche Parteienlandschaft erobern würden.“

Weisband, die auf dem kommenden Bundesparteitag nicht mehr für den Vorstand kandidieren wird, schließt eine Rückkehr in die Parteiführung noch vor der Bundestagswahl 2013 nicht aus: „Ich bin weiter in der Partei aktiv. Und ich kann mir auch vorstellen, 2013 wieder für ein Spitzenamt zu kandidieren“, sagte sie dem Blatt.

Die 24-Jährige hatte ihren Verzicht auf eine neue Kandidatur mit gesundheitlichen Beschwerden und dem geplanten Abschluss ihres Psychologiestudiums begründet. „Ich habe zurzeit zwei Vollzeitjobs“, sagte sie heute.de: zum einen die Geschäftsführerposition für die Partei, dann die mediale Präsenz. Zu ihrem Studium der Psychologie sei sie in letzter Zeit gar nicht mehr gekommen. Und körperlich schaffe sie diese Belastung schlicht nicht mehr: „Ich merke einfach, dass ich nicht weitermachen und gesund bleiben kann.“

Das Medienecho auf ihren Rückuzug war groß – in den Reaktionen überwogen Verständnis und Respekt. Weisband selbst reagierte genervt: So wies sie Einschätzungen zurück, dass die Partei nun ihr „charismatisches Aushängeschild“ verliere. „Das ist Quatsch. Die Piraten verlieren gar nichts!“, schrieb sie in einem Beitrag. Sie werde weiter aktiv mitarbeiten. Es sei jedoch „Ziel der Sache, dass ich weniger Medienauftritte und dadurch mehr Zeit habe“. Dennoch verbat sie sich „Abgesänge auf mich“.

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