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25. Juni 2012

Wahl in Ägypten: Israel sieht Partner in Mursi

Erschienen auf Zeit Online. Nach dem Sieg von Mohammed Mursi bei der ägyptischen Präsidentschaftswahl hat Israel den Willen zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit beider Länder betont. Israel schätze den „demokratischen Prozess“ in Ägypten und respektiere den Wahlausgang, hieß es in einer Erklärung des Büros von Regierungschef Benjamin Netanjahu. „Israel beabsichtigt, seine Zusammenarbeit mit der ägyptischen Regierung auf der Grundlage des Friedensvertrags (von 1979) fortzusetzen.“

Israel und Ägypten hatten 1979 einen Friedensvertrag geschlossen; jahrzehntelang herrschte ein „kalter Frieden“ zwischen beiden Ländern. Seit dem Sturz Mubaraks Anfang 2011 haben die Spannungen zwischen Kairo und Jerusalem stark zugenommen. Mit dem Sieg der Islamisten befürchtete Israel eine weitere Verschlechterung der Beziehungen. Ägypten füllt jedoch bisher weiter die Rolle eines Vermittlers zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas aus.

Stellungnahme zu den Präsidentenwahlen in Ägypten

Das Amt des israelischen Ministerpräsidenten hat eine Stellungnahme zu den Präsidentenwahlen in Ägypten veröffentlicht. Darin heißt es: „Israel schätzt den demokratischen Prozess in Ägypten und respektiert die Ergebnisse der Präsidentenwahlen. Israel freut sich auf die Fortsetzung der Kooperation mit der ägyptischen Regierung auf Basis des Friedensvertrages zwischen den beiden Ländern. Die Kooperation ist im gemeinsamen Interesse beider Völker und trägt zur regionalen Stabilität bei.“

Hamas feiert Mursis Wahlsieg

Die Hamas nahm den Wahlsieg des Kandidaten Mursi in Ägypten begeistert auf. Mit Verkündung der Wahlergebnisse feierten Hunderte Hamas-Mitglieder auf den Straßen, verteilten Süßigkeiten und gaben Freudenschüsse in die Luft ab. Hamas-Führer Ismail Hanija gratulierte Mursi telefonisch zu seinem Sieg, wie sein Büro mitteilte. Der Hamas-Führer Mahmud al-Sahar sagte, Mursis Sieg bedeute Unterstützung für den Kampf gegen die israelische Besatzung. „Der Verlierer in diesem Kampf sind Israel und seine Verbündeten in der Region“, sagte Al-Sahar mit Blick auf die gemäßigtere Palästinenserorganisation Al-Fatah.

Die Bewegung Hamas war ursprünglich aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangen. Sie hatte 2007 gewaltsam die Kontrolle im Gaza-Streifen übernommen. Hamas hofft nach dem Wahlsieg Mursis auf eine weitere Lockerung der israelischen Blockade des Palästinensergebiets am Mittelmeer.

Auch die USA gratulierten Mursi zu seinem Wahlerfolg. Die neue ägyptische Regierung müsse ihre Rolle als „Eckpfeiler des regionalen Friedens“ erfüllen, hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses. Eine wichtige Aufgabe Mursis sei es, „in dieser historischen Zeit Schritte zu unternehmen, um die nationale Einheit voranzubringen“ und in einem nationalen Dialog eine neue Regierung zu bilden.

Der Muslimbruder Mursi war am Sonntag von der ägyptischen Wahlkommission zum Sieger der Stichwahl vom 16. und 17. Juni erklärt worden. Der 60-Jährige setzte sich gegen Ex-Regierungschef Ahmed Schafik durch.

Reaktionen auf Wahlausgang in Ägypten:
Freude in Gaza – Verunsicherung in Israel

Von Torsten Teichmann, ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv, erschienen auf tagesschau.de. Während die Hamas in Gaza feiert, ist man in Israel besorgt über den Sieg eines Moslembruders im Nachbarland. Speziell dessen Äußerungen zum Iran haben in Jerusalem für Irritationen gesorgt. Soll man abwarten oder auf die neue Führung im Nachbarland zugehen?

Im Gaza-Streifen schwenken einige Kinder ägyptische Fahnen. Sie rufen immer wieder den Namen des neuen Präsidenten im Nachbarland, Mursi. Mohammed Mursi gehörte bis gestern zu den Moslembrüdern.* Also der Organisation der auch die Hamas entstammt, die in Gaza regiert. Ministerpräsident Haniyeh gratuliert zur Wahl: „Wir schauen nach Ägypten. Das Land soll eine historische Rolle spielen – in Bezug auf die palästinensische Sache. Den Palästinensern helfen, Freiheit zu erlangen, in ihre Häuser zurückzukehren und die Belagerung des Gaza-Streifens zu beenden. Ich wünsche Ägypten nationale Einheit.“

Hamas sieht sich gestärkt

Die Hamas sieht sich durch den Sieg ihrer Unterstützer in Kairo in ihrer Position gestärkt – zumindest trägt sie dieses Bild nach außen. Die mit ihr konkurrierende palästinensische Organisation, die Fatah hofft, von den ägyptischen Moslembrüdern noch gleichwertig behandelt zu werden.

Der israelische Abgeordnete und ehemalige Minister Ben-Elizer glaubt, dass Verhalten Ägyptens gegenüber den Palästinensern sei ein Schlüssel, um die Bedeutung des neuen ersten Mannes in Kairo zu verstehen. „Das Ägypten Mubaraks hat die palästinensische Autonomiebehörde unterstützt und war gegen die Hamas. Das Ägypten von Mursi unterstützt die Hamas und ist gegen die Autonomiebehörde“, skizziert Ben Elizer die Lage.

Dem Staat Israel rät er zu einer Doppelstrategie: „Ich würde dem Staat Israel zwei Dinge vorschlagen: sowohl Wege der Kommunikation mit der islamistischen Führung zu suchen, aber langfristig bereit zu sein für eine Auseinandersetzung mit Ägypten.“

Irritation über Äußerung Mursis zum Iran

In Israel sorgen vor allem Aussagen des ägyptischen Präsidenten zu Iran für Schlagzeilen. Mursi hat sich für bessere Beziehungen zu Teheran ausgesprochen, um ein strategisches Gleichgewicht in der Region herzustellen, wie er sagt. Israel ist im Streit um Irans Atomprogramm aber bemüht, die Führung in Teheran möglichst international zu isolieren.

Das zweite wiederkehrende Thema in Israel ist der Friedensvertrag von 1979. Mursi erklärt er wolle alle internationalen Verträge respektieren –  vor allem auch, weil daran die finanzielle Unterstützung der USA hängt. Israels Ministerpräsident Netanjahu sagt, er erwarte die Zusammenarbeit mit Ägypten fortzusetzen – die gibt es nahezu ausschließlich in Fragen der Sicherheit – also mit dem Militärrat in Kairo.

Die Verunsicherung sei groß, erklärt Sharon, eine Passantin in Jerusalem: „Wir sind alle besorgt. All die Stimmen für Mohammed Mursi“, fasst sie die Stimmungslage in der Bevölkerung zusammen, noch habe sie aber Hoffnung, dass Mursi am Status Quo mit Israel nicht rütteln wird: „Hoffentlich versteht er so wie wir, dass Frieden die einzige Möglichkeit ist im Nahen Osten zu leben.“

Muss Israel Ägypten entgegenkommen?

Alles so lassen, stillhalten und abwarten? Der Abgeordnete der Kadima-Partei Hasson warnt davor, dass die heikle Beziehung zu Ägypten bei Untätigkeit weiter Schaden nehmen könnten. Ein Ausweg und ein Signal an Kairo seien neue Gespräche mit der palästinensischen Autonomiebehörde.

Auch der Analyst des zweiten Fernsehprogramms, Ehud Yaari, hält das für einen gangbaren Weg: „Ich weiß nicht, ob es den Hass mildern würde, aber es würde sicher das Verhalten verändern“, meint er. Dass man in der palästinensischen Frage vorankommen müsse sei ohnehin  völlig klar, so Yaari weiter.

„Ich denke schon seit vielen Jahren, dass wir zu viel Zeit untätig verstreichen lassen, viel zu viele Jahre und dass etwas getan werden müsste.“ Dass sich an der grundsätzlichen Einstellung der ägyptischen Moslembrüder gegenüber Israel etwas ändern lasse, bezweifelt der Experte allerdings.

Oder bleibt doch alles beim Alten?

Dagegen hält der ehemalige israelische Botschafter in Kairo Shaked, die Forderungen der Moslembrüder würden verdünnt durch die Macht des Militärrates. Soll heißen, der Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit steht auch nach der Wahl von Präsident Mursi nichts im Weg.

*Anmerkung der Redaktion: Wie angekündigt hatte die Moslembruderschaft am Sonntag, 24.6.2012, nach dem Sieg ihres Kandidaten, Mohammed Mursi, dessen Mitgliedschaft in der Bruderschaft sowie deren Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ für beendet erklärt.

Ägypten nach der Wahl
Mursi weckt Hoffnung und nährt Zweifel

Von Hans Michael Ehl, ARD-Hörfunkstudio Kairo. Ein menschenwürdiges Leben, soziale Gerechtigkeit und Freiheit – dafür will der neue ägyptische Präsident Mursi eintreten. So gern seine Landsleute diesen Worten glauben wollen, zweifeln sie doch an der Durchsetzbarkeit. Denn Mursi hat zwar die Wahl gewonnen, nicht aber die Macht. Die sehen die Ägypter noch immer beim Militär. Lesen Sie weiter auf tagesschau.de.

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