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14. März 2012

Israel: Vorläufige Bilanz des Raketenterrors

Ynet/Israelische Verteidigungsstreitkräfte/Außenministerium des Staates Israel, 13./14.03.12. Trotz der Waffenruhe setzen palästinensische Terroristen aus dem Gazastreifen den Raketenbeschuss auf Israel fort. Am 13.3.2012 waren im Laufe des Tages mindestens sechs Raketen und sieben Mörsergranaten auf israelisches Gebiet abgefeuert worden. Am späten Abend schließlich schlug eine Grad-Rakete auf einem Parkplatz in einem Wohngebiet in der Stadt Netivot ein, ein Mann wurde leicht verletzt. Die Rettungskräfte erklärten, es sei „ein Wunder“, dass niemand schwerere Verletzungen erlitten habe. Mehrere Fahrzeuge und Wohnungen wurden beschädigt.

Weniger Raketen – Schüler kehren zum Unterricht zurück

Angesichts der relativen Ruhe sind heute die 200.000 Schüler und Studierenden der Region wieder auf die Schulbänke zurückgekehrt. Die Schulen und akademischen Institutionen waren seit 11.3.2012 wegen der Sicherheitslage geschlossen geblieben.

In der Nacht zum 14.3.2012 haben die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) in Reaktion auf den Raketenbeschuss zwei Ziele im Gazastreifen angegriffen, die als Basis für terroristische Aktivitäten dienen.

Der Gesandte des Staates Israel bei den Vereinten Nationen, Botschafter Ron Prosor, hat sich am Dienstag in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon über die ausbleibende Reaktion des Sicherheitsrates angesichts des Raketenbeschusses beschwert.

„75 Raketen wurden gestern aus dem Gazastreifen auf israelische Gemeinden abgefeuert”, heißt es in dem Brief. “Mehr als 250 Raketen wurden seit letztem Freitag abgefeuert. Das bedeutet im Durchschnitt eine Rakete alle 20 Minuten. Israelische Zivilisten haben weniger als 15 Sekunden, sich vor diesen Angriffen in Sicherheit zu bringen.

[…]

200.000 Kinder gehen nicht in die Schule. Während Ihrer Reise nach Israel im letzten Monat haben Sie diese Kinder getroffen, und Sie haben diese Region mit eigenen Augen gesehen. Gestern haben Sie dem Sicherheitsrat gesagt: ‘Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische zivile Gebiete sind inakzeptabel und müssen sofort aufhören.’ Doch der Sicherheitsrat hat keine Worte gefunden, um diese Angriffe zu verurteilen.

[…] Es ist an der Zeit, dass der Sicherheitsrat mit einer Stimme gegen den anhaltenden Terrorismus aus dem Gazastreifen spricht.“

Bereits am 11.3.2012 hatte Prosor einen Brief an den Sicherheitsrat gesandt.

 

Vorläufige Bilanz des Raketenterrors

Israelische Verteidigungsstreitkräfte/Haaretz, 13.03.12. Seit Beginn der Eskalation in Südisrael und dem Gazastreifen sind 206 Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert worden. 172 Raketen sind tatsächlich auf israelischem Gebiet eingeschlagen. Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) teilten heute mit, die Luftwaffe habe 37 Ziele im Gazastreifen angegriffen. In 19 Fällen handelte es sich um Banden, die gerade Raketen abfeuern wollten, in 18 Fällen um Waffenlager und –produktionsstätten oder Raketenabschussrampen.

Seit 11.3.2012 sind die Schulen in einem Umkreis von vierzig Kilometern von der Grenze des Gazastreifens geschlossen geblieben.

ZAHAL-Oberbefehlshaber Benny Gantz erklärte am Morgen des 13.3.2012, bei den Angriffen im Gazastreifen seien bisher 26 Palästinenser getötet worden, darunter 22 Terroristen. Der Tod von vier Zivilisten sei im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass die Terroristen häufig aus Wohngebieten heraus operierten.

„Ruhe wird mit Ruhe beantwortet, Feuer mit Feuer“, erklärte Gantz.

Die jüngste Welle der Gewalt war die schwerste seit der „Operation Gegossenes Blei“ im Dezember 2008 und Januar 2009.

Am 13.3.2012 schlugen noch sechs Raketen in den Bezirken Chof Ashkelon, Shaar Hanegev und Eshkol ein. Am 12.3.2012 waren es insgesamt 47 Raketen gewesen.

Raketenterror gegen Israel – Über 190 Raketen in vier Tage: Allein zwischen 9.3. und 12.3.2012 haben palästinensische Terroristen aus dem Gazastreifen über 190 Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Mehr als eine Million Israelis leben in Reichweite der Raketen. Und der Raketenbeschuss hält weiter an.

Twitter-Bilder aus dem Gazastreifen zeigen falsche Tatsachen

Times of Israel/ Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 13.3.2012. Zwei Bilder, die im Verlauf der erneuten Eskalation im Süden Israels bei Twitter kursierten, entsprechen nicht der Wahrheit. Die beiden Fotos wurden mehrere hundert Mal retweetet.Das eine Bild zeigt ein palästinensisches Mädchen, das blutverschmiert in den Armen seines Vaters liegt.

 

Screenshot von Facebook.

Screenshot von Facebook.

 

Khulood Badawi, der später als Informations- und Medienkoordinator des UN-Büros für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten identifiziert wurde, twitterte das Foto am 10. März mit folgendem Text: “Palestine is bleeding … another father killed by #Israel … another father carrying his child to a grave in #Gaza” Dieser Tweet wurde alleine 300 Mal retweetet.

Der Twitterer Avi Mayer erkannte das Bild als Reuters-Foto von 2006, auf dem ein Mädchen gezeigt wird, das bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Auch die palästinensische Aktivistin und Filmemacherin Diana Alzeer hatte das Bild getweetet, entschuldigte sich aber später dafür.

Das Foto des Mädchens war 2006 auch schon mit falschem Titel veröffentlicht. Damals korrigierte Reuters diesen Fehler einen Tag später:

A Palestinian man carries the body of three year-old Raja Abu Shaban, in Gaza August 9, 2006. The three-year-old girl who had been reported killed by an Israeli air strike in Gaza on Wednesday actually died of an accident, Palestinian medical workers said on Thursday. Workers at Gaza’s Shifa hospital said on August 10, 2006 that the initial mistake over the cause of death appeared to have arisen because the girl’s corpse was brought in at the same time as the bodies of the gunmen. REUTERS/Mohammed Salem (PALESTINIAN TERRITORIES)

 

Ein anderes Bild, das von Maissam Nablussi und Gaza Youth Breaks Out einen Tag später getweetet wurde, zeigte eine Explosion in Gaza mit dem Titel „Gaza Under Attack Today“. Doch auch dieses Bild, ebenfalls von der Agentur Reuters, war nicht aktuell, sondern wurde bereits 2009 während der „Operation Gegossenes Blei“ aufgenommen.

 

Screenshot von Facebook.

Screenshot von Facebook.

 

 

Hinter den Schlagzeilen

Ein Kommentar von David Horovitz, Times of Israel, 11.03.12. So oder so ähnlich ist es schon häufiger geschehen: Israel tötet einen Top-Terroristen, da Informationen über die Planung eines großangelegten Anschlags vorliegen und obwohl es weiß, dass die Verhinderung des Anschlags wieder massiven Raketenbeschuss auf die Dörfer und Städte in Israels Süden zur Folge haben wird.

Und die Raketen fallen, die Luftwaffe wird wieder und wieder entsandt, um die Terrorzellen zu stoppen, die mehr und mehr Raketensalven abfeuern. Und die Zahl der Opfer im Gazastreifen steigt.

Auf der israelischen Seite steigt sie glücklicherweise nicht, obwohl die Terrororganisationen aus dem Gazastreifen es genau darauf anlegen, wenn sie hunderte Raketen auf Israel abfeuern. Doch Israel hat Alarmsysteme und Schutzbunker. Israel schließt die Schulen, damit die Kinder zu Hause bleiben können. Und Israel verfügt über die weltbesten Raketenabwehrsysteme.

Etwa 90 Prozent der Kinder in Sderot leiden unter Posttraumatischer Belastungsstörung

Die Opferzahlen erzählen also nur einen Teil der Geschichte. Doch die Zahlen – und die Begräbnisszenen aus dem Gazastreifen – werden weltweit ausgestrahlt und dienen als das Barometer der Verhältnismäßigkeit, oder eher Unverhältnismäßigkeit. Und Israel findet sich selbst auf der Anklagebank wieder, beschuldigt des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt, obwohl es nur das Leben seiner Bevölkerung  schützen will.

Wie schon so oft in der Vergangenheit muss man einen Funken intellektueller Ehrlichkeit und einen Blick hinter die Zahlen und Schlagzeilen wagen, um wirklich zu verstehen, was hinter der aktuellen Eskalation in Israelund dem Gazastreifen steckt.

Zuhair al-Kaisi, der Chef der Terrororganisation „Volkswiderstandskomitee“ (PRC), hat  kein Geheimnis aus seinen Aktivitäten gemacht. Es war al-Kaisi, der direkt nach der Freilassung von Gilad Shalit im Rahmen des erpresserischen „Austauschs“ vergangenen Oktober den arabischen und internationalen Medien Interviews gegeben hat. Er hat berichtet, wie seine Organisation den israelischen Soldaten entführt und verhört hat, dann den israelischen Bitten, ihn freizulassen widerstand, und ihn schließlich an die Hamas übergab, die ihn fünf Jahre lang in einen Kerker steckte.

BR: Videobericht von Richard C. Schneider: Raketen auf Ashdod

Al-Kaisi war Berichten zufolge auch derjenige, der für die Transfers von Geldern der libanesischen Hisbollah zu anderen Terrororganisationen im Gazastreifen zuständig war.

In Anbetracht dieser Tatsachen scheint der Vorwurf der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte alles andere als weithergeholt, dass al-Kaisi einer der Köpfe hinter dem Anschlag war, der im vergangenen August nördlich von Eilat verübt wurde. Bei dem von  nach Israel eingeschmuggelten Terroristen verübten Anschlag waren acht Israelis ermordet worden. Naheliegend erscheint dadurch auch  die Begründung des Schlags gegen al-Kaisi, die lautete, er habe einen weiteren großangelegten Anschlag geplant.

Ein Blick hinter die Zahlen und Schlagzeilen würde auch daran erinnern, dass Israel keine Präsenz im Gazastreifen hat, weder militärisch noch zivil, es gibt dort keinen territorialen Konflikt. Israel hat 2005 tausende Menschen aus ihren Häusern herausgerissen und sich vollkommen aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Der letzte Israeli, der im Gazastreifen gelebt hat, war Gilad Shalit.

Nach dem Rückzug von 2005 hätten die Palästinenser den Flüchtlingen im Gazastreifen neue Häuser geben können – es sprach nichts dagegen, die Besatzung war vorbei, doch man zog es vor, die Wunde offen zu halten. Die Palästinenser hätten im Gazastreifen eine Mini-Demokratie aufbauen können, wenn auch nur um ein unsicheres Israel davon zu überzeugen, dass es sich genauso sicher aus dem Westjordanland zurückziehen kann. Doch offensichtlich war nicht einmal der Gewinn von Gebieten im Westjordanland verlockend genug.

Stattdessen wurden die Gewächshäuser zerstört, die in den ehemaligen Siedlungen floriert hatten und die unter palästinensischer Kontrolle genauso hätten florieren können. Die Hamas riss 2007 gewaltvoll die Macht an sich, nachdem sie 2006 die Wahlen gewonnen hatte. Und der Raketen- und Mörserbeschuss setzte sich fast ununterbrochen fort. In der Zeit vor der Tötung al-Kaisis gab es fast keinen Tag, an dem nicht eine Rakete auf Israel abgefeuert wurde. Doch diese Anschläge machten keine Schlagzeilen, da sie keine Israelis töteten.

Als Benny Gantz, der Generalstabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte, am Sonntag erklärte, dass „Israel kein Interesse an einer Eskalation“ habe, klang das glaubwürdig. Es gab in den vergangenen Wochen keine Indikatoren, die darauf hinwiesen, dass ZAHAL eine Wiederholung der “Operation  Gegossenes Blei” vom Winter 2008/2009 gegen die Hamas plane. Israel hatte sich auf andere Themen konzentriert – Irans Streben nach der Bombe, die unsichere Situation in Ägypten und Bashar al-Assads tägliche Massaker an seiner eigenen Bevölkerung in Syrien.

Doch nichtsdestotrotz steht Israel sieben Jahre nach dem Rückzug aus dem Gazastreifen einer Regierung gegenüber, die jede Gelegenheit genutzt hat, sich gegen ihren Feind, gegen Israel, zu rüsten und ihr Raketenarsenal zu erweitern, um israelische Zivilisten zu schädigen. Und deshalb muss Israel vielleicht früher oder später wieder auf eine Bodenoffensive zurückgreifen, wie Gantz und andere ranghohe Vertreter in den letzten Monaten bereits erklärten.

Ob diese Zeit schon jetzt gekommen ist, hängt von der Hamas ab. Sollte sie sich dem Raketenbeschuss durch das „Volkswiderstandskomitee“ und den „Islamischen Jihad“ anschließen, würden sich die Ausmaße dieser Eskalation gänzlich ändern, denn die Hamas verfügt über Fajr-Raketen, die Tel Aviv erreichen können. Oder wird sie sich raushalten und auf einen  Waffenstillstand hinarbeiten? Zurzeit stehen die Zeichen gut für letzteres.

Der Autor ist ehemaliger Chefredakteur der Zeitung „Jerusalem Post“ und Gründer und Chefredakteur der Online-Zeitung „Times of Israel“.

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